Berliner NSU-Untersuchungsausschuss jetzt! Besser spät als nie!

16. Juni 2017

Berliner NSU-Untersuchungsausschuss jetzt!

Besser spät als nie!

Petition unterschreiben:

https://www.openpetition.de/petition/online/berliner-nsu-untersuchungsausschuss-jetzt-besser-spaet-als-nie

Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e.V. [Berliner VVN-BdA]

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Nach der Ermordung von Halit Yozgat am 6. April 2006 organisierten seine Angehörigen zusammen mit Freund_innen in Kassel einen Schweigemarsch mit der Forderung „Kein 10. Opfer!“.

„Pinocchio“, Blood and Honour, Synagoge Rykestraße, geschredderte LKA Akten – die Spur führt immer auch nach Berlin

Wir fordern das Berliner Abgeordnetenhaus auf, sofort einen parlamentarischen NSU-Untersuchungsausschuss einzusetzen!

Die rassistischen Morde des „Nationalsozialistischen Untergrunds” (NSU) markieren eine Zäsur in der bundesrepublikanischen Geschichte. Die Taten des NSU, sein Netzwerk und die Rolle der Behörden sind noch lange nicht aufgeklärt. Mit dem kommenden Abschluss des NSU-Prozesses in München droht aber die These, der NSU sei lediglich ein Trio mit einigen wenigen Unter-stützer*innen gewesen und nicht ein großes neonazistisches Netzwerk, das unter den Augen der bundesdeutschen Behörden agierte, zur gewollten offiziellen Auslegung des NSU-Komplexes zu werden.

Die Aufklärung der Taten des NSU-Netzwerks wird weiterhin größtenteils der Initiative und Arbeit der Opferanwält*innen im Münchener NSU-Prozess überlassen.

Auch in Berlin stellt sich die Frage: Welche Rolle spielten, was wussten die Behörden? Als das Kerntrio des NSU abtauchte und mordend durchs Land zog, waren andere Neonazis und dazu V-Leute des Verfassungsschutzes und der LKAs nicht fern. Wir fragen: wo und wie hat Behördenhandeln den Neonazi-Terror begünstigt.

„Blood and Honour“ gilt als ein entscheidender Teil des Unterstützungsumfeldes des NSU-Netzwerks. Der frühere Deutschland-chef Stephan Lange aus Lichtenberg wurde vom Berliner LKA als Spitzel „Pinocchio“ an den Bundesverfassungsschutz weiter-gereicht.

Nicht erst seit den Presseberichten im Oktober 2016 über die vermutete Ausspähung der Synagoge in der Rykestraße, bei der der Wachpolizist Frank G. im Mai 2000 Zschäpe und Mundlos erkannt haben will (er wurde jetzt als Zeuge zum NSU-Prozess nach München geladen), führt die Spur des NSU-Netzwerks auch nach Berlin. Zschäpe hat einen Aufenthalt in Berlin eingestanden. Es gibt Indizien dafür, dass der sächsische Neonazi Jan W. gemeinsam mit Zschäpe und Mundlos nahe der Synagoge in der Rykestraße gewesen sein könnte.

Noch am 3. November 2014 veranlassten zwei Bundesanwälte die Vernichtung aller Unterlagen aus dem Besitz von Jan W., die wegen eines Verfahrens gegen ihn beim LKA Berlin lagerten. Schon 2011 stellte sich die Berliner Polizei die Frage, ob auch die drei bis heute ungeklärten Sprengstoffanschläge auf den Jüdischen Friedhof Heerstraße in Charlottenburg auf das Konto des Netzwerks gehen. 1998 explodierten am Grab von Heinz Galinski, dem früheren Präsidenten des Zentralrats der Juden, zweimal Rohrbomben, 2002 wurde ein Sprengsatz in den Eingangsbereich des Friedhofs geworfen. Alle Ermittlungen blieben bis heute ohne jeden Erfolg. Aber in der von Zschäpe angezündeten Wohnung in Zwickau fand sich eine Adressliste, auf der der Jüdische Friedhof Heerstraße in Charlottenburg-Wilmersdorf verzeichnet war.

Andreas Nachama, der frühere Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, sagte im Oktober 2016: „Ich halte es für sehr dringlich, da Licht reinzubringen.“ Dem schließen wir uns an!

SPD, Linke und Grüne haben in der Vergangenheit immer wieder den ehemaligen CDU-Innensenat(or) scharf kritisiert und im Innenausschuss erhebliche Mängel und Versäumnisse bei der Aufarbeitung des NSU-Komplexes in Berlin, den Ermittlungen des LKA und der Arbeit des Verfassungsschutzes beklagt.

Es ist doch sehr verwunderlich, dass trotzdem im Berliner Parlament bisher keine Anstrengungen unternommen wurden, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss auf Landesebene einzufordern.

Sehr geehrte Berliner Abgeordnete, wagen Sie jetzt einen Neuanfang und stellen Sie erweiterte Ressourcen in Form eines gut ausgestatteten parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Verfügung.

Der NSU-Ausschuss in unserem Nachbarland Brandenburg bringt mit jeder Sitzung erschreckende Details über das Behördenhandeln ans Licht.

Diese Aufklärung brauchen wir auch in Berlin. Und das sind Sie den Opfern des NSU schuldig.

Berlin, Juni 2017

P.S.: Ein offener Brief „Berliner NSU-Untersuchungsausschuss jetzt! Besser spät als nie!“, den wir den Abgeordneten von SPD, Linken und Grünen Ende Oktober 2016 geschrieben hatten, blieb bis dato unbeantwortet.