Esthers Spuren | Buchvorstellung | Lesung  & Gespräch

21. Oktober 2024

Die Geschichte der Shoah-Überlebenden Esther Bejarano und der Kampf gegen Rechtsextremismus

Mittwoch | 6. November 2024 | 19.00 Uhr | Kino in der  Regenbogenfabrik, Lausitzer Straße 21a, 10999 Berlin( XBerg)

Dr. Karoline Georg (Gedenkstätte Stille Helden) spricht mit Benet Lehmann

Die Zeitzeugin, Musikerin und Antifaschistin Esther Bejarano (1924 – 2021) wurde mit 18 Jahren nach Auschwitz deportiert.
Sie musste Akkordeon im berüchtigten »Auschwitzer Mädchenorchester« spielen, kam später in das KZ Ravensbrück und floh bei Kriegsende während eines Todesmarschs. Sie war Ehrenvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes- Bund der der Antifaschist*innen (VVN-BdA).

Benet Lehmann, (geb. 1997), hat Geschichte, Englisch und Kunstgeschichte in Hamburg, Berlin und Jerusalem studiert und viele Gespräche mit Esther Bejarano geführt. Als Mitglied der letzten Generation, die noch unmittelbar mit Zeitzeug*innen sprechen kann, begibt sich Benet Lehmann in seinem neuen Buch auf die Spuren ihres Lebens.
Und fragt: Welche Rolle spielt das Erbe der Zeitzeug*innenschaft heute noch?

Und vor allem: Hilft Erinnerungskultur gegen Antisemitismus und Rassismus?

Dr. Karoline Georg (geb. 1980), Politik-wissenschaftlerin ist die Enkelin von Karl Raddatz (1904–1970), Kommunist, Widerstandskämpfer, Sachsenhausen-Häft-ling und Mitbegründer der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN).
Sie leitet die Gedenkstätte Stille Helden in der Stiftung Gedenkstätte Deutscher Widerstand. Sie ist, wie ihr Großvater, Mitglied der VVN-BdA.

Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschist-*innen (VVN-BdA), gegründet 1948, hat heute nur noch sehr wenige ihrer Gründer*innen als Zeitzeug*nnen in ihren Reihen.

Eintritt frei- Spenden erwünscht!

254 S., 7 Abb., geb., Schutzumschlag, 12,5 x 21 cm
ISBN 978-3-8353-5726-6

https://www.wallstein-verlag.de/9783835357266-esthers-spuren.html

Offener Brief an den Vorstand der Deutschen Bahn und Bundesverkehrsminister Volker Wissing

8. Oktober 2024

Erstellt am 8. Oktober 2024

Hamburg, 08. Oktober 2024

Sehr geehrter Herr Dr. Richard Lutz, sehr geehrter Herr Bundesminister Wissing,

Salo Muller

mein Name ist Salo Muller. Ich bin 88 Jahre alt, niederländischer Staatsangehöriger und jüdischer Überlebender des Holocausts. Ich bin Autor und war früher Physiotherapeut bei Ajax Amsterdam. Vor 82 Jahren wurden meine Eltern, Louis und Lena Muller, wie Tausende weitere Juden, Sinti und Roma, mit Zügen der Deutschen Reichsbahn aus den Niederlanden nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Diese schrecklichen Ereignisse verfolgen mich bis heute. Das Verbrechen an ihnen wurde nie gesühnt. Deshalb fordere ich von Ihnen finanzielle Entschädigung und eine ernst gemeinte Entschuldigung für alle niederländischen Überlebenden der Deportationen und für die Angehörigen der Ermordeten.

Im Januar dieses Jahres hatte ich das erste Mal die Gelegenheit, in Deutschland öffentlich zu sprechen. Ich habe meine Geschichte in Hamburg erzählt, um das Bewusstsein für das Leid, das uns widerfahren ist, zu schärfen. Meine Eltern wurden 1942 gefangen genommen und zusammen mit vielen anderen Juden in der Hollandsche Shouwburg in Amsterdam festgehalten. Als kleiner Junge musste ich zusehen, wie sie von Soldaten weggerissen und in einen überfüllten Waggon gesteckt wurden. Der Schmerz, den ich an diesem Tag fühlte, wird mich mein Leben lang begleiten. Dieser wird verstärkt durch den Schmerz darüber keine, wenn auch nur symbolische, Gerechtigkeit erfahren zu haben.

Ich appelliere an die Deutsche Bahn AG und an die Bundesregierung ihrer historischen Verantwortung gerecht zu werden. Die Reichsbahn, als Vorgängerin der Deutschen Bahn, hat maßgeblich zur Durchführung der Deportationen beigetragen und davon profitiert. Die Opfer mussten sogar die Tickets selbst bezahlen. Es ist höchste Zeit, dass auch die Deutsche Bahn AG einen Beitrag leistet, um das unermessliche Leid, das uns zugefügt wurde, zumindest teilweise zu lindern und sich als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn ihrer Verantwortung zu stellen.

Im Jahr 2019 entschlossen sich die Niederländischen Eisenbahnen (Nederlandse Spoorwegen) an die Hinterbliebenen der Ermordeten und an die Überlebenden der Deportationen Entschädigungszahlungen zu leisten. Dieses Einlenken geht auf meine Initiative zurück und hat mir gezeigt, dass späte und symbolische Gerechtig-keit möglich sind, wenn die Bereitschaft zur Verantwortungsannahme und Wiedergutmachung besteht. Diese bestand bei den Niederländischen Eisenbahnen.

Diese Bereitschaft erwarte ich auch von der Deutsche Bahn AG. Als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn muss die Deutsche Bahn AG erst recht zahlen und darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen, denn die Deutsche Reichsbahn war die Haupttäterin der Deportationen. Ohne ihr Zutun wäre der Holocaust nicht durchführbar gewesen. Die Niederländischen Eisenbahnen deportierten die Menschen bis zur deutschen Grenze nach Nieuweschans, von dort wurden die Züge von deutschen Lokomotiven direkt nach Auschwitz gefahren.

Die Deutsche Bahn AG hat das Vermögen der Reichsbahn übernommen. Sie kann daher nicht leugnen, auch für deren Schulden einstehen zu müssen. Es geht hierbei nicht nur um eine finanzielle Schuld, sondern auch um moralische Verantwortung. Die Deutsche Bahn hätte diese Möglichkeit, sie verfügt über die finanziellen Mittel und keine Rechtsvorschrift hindert sie daran Zahlungen an die Opfer zu tätigen.

Im Juli dieses Jahres leistete die Deutsche Bahn AG eine großzügige Spende an die Holocaustgedenkstätte in Yad Vashem. Diese Spende zeigt, dass die Deutsche Bahn AG ein Bewusstsein ihrer Verantwortung für die Verbrechen der Deutschen Reichsbahn hat. Und doch verfehlen diese Zuwendungen das eigentliche Ziel der Gerechtigkeit und Anerkennung des erlittenen Leids.

Was als Geste des Engagements erscheinen mag, wirkt auf uns Betroffene wie ein Schlag in die Magengrube, da die konkreten Opfer bis heute nicht angemessen entschädigt wurden. Vielmehr sollte die Deutsche Bahn auf die Bedürfnisse der Hinterbliebenen und Überlebenden eingehen und mit uns über eine Lösung sprechen.

Auch aus diesen Gründen fordere ich eine ernsthafte Entschuldigung und finanzielle Entschädigung für die deportierten niederländischen Opfer und ihre Angehörigen. Es geht um die Anerkennung des Leids und der historischen Verantwortung. Eine solche Geste könnte helfen, die tiefen Wunden zu heilen, die diese schrecklichen Ereignisse hinterlassen haben. Die noch lebenden Holocaustüberlebenden sind heute 80 Jahre und älter, sie können nicht länger warten.

Ich erwarte von der Deutsche Bahn AG, dass Sie meiner erneuten Aufforderung nachkommen mit mir in Verhandlung über eine gerechte Entschädigungszahlung zu treten und dafür die notwendigen Schritte unternehmen. Bitte schlagen Sie einen Termin vor, um über die Modalitäten zu sprechen.

Herr Bundesminister Wissing, ich bitte Sie, diese Forderung zu unterstützen, sich für eine angemessene Lösung einzusetzen und die Gespräche zu begleiten. Die deutsche Regierung hat in der Vergangenheit einiges zur Wiedergutmachung beigetragen, doch es gibt immer noch offene Rechnungen und offene Wunden.

Mit freundlichen Grüßen
Salo Muller und das Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.

Weitere Informationen: „Nur wer zahlt, meint es ernst!“


Die Unterzeichner*innen des offenen Briefes unterstützen die Forderung von Salo Muller nach Anerkennung des Leids und Entschädigung durch die Deutsche Bahn AG als Nachfolgerin der Reichsbahn. Wir teilen Salo Mullers Ansicht: „Nur wer zahlt, meint es ernst.” Wir fordern die Deutsche Bahn AG als Nachfolgerin der Deutschen Reichsbahn auf, die moralische und materielle Verantwortung für die Beteiligung am Holocaust durch die Deportation von Millionen Menschen in die Vernichtungs- und Konzentrationslager zu übernehmen.

Wir fordern die Bundesregierung und den Vorstand der Deutschen Bahn AG auf, mit Salo Muller und sowie seiner rechtlichen Vertretung in Verhandlungen einzutreten und eine angemessene Entschädigungsregelung zu vereinbaren.

Unterzeichner*innen:

  • Susanne Kondoch-Klockow, Vorsitzende des Auschwitz-Komitees i.d. BRD e.V.
  • Ernst Grube, Überlebender der Shoah, Präsident der Lagergemeinschaft Dachau e.v.
  • Horst Selbiger (*1928) für Child Survivers Deutschland
  • bruno neurath-wilson, Sohn von Willi Neurath, ehem. Häftling des KZ Neuengamme
  • Anton Sefkow (Bejarano), Enkel von Esther Bejarano, Wissenschaftler
  • Prof. Dr. M.J. Cohen, ehemaliger Bürgermeister von Amsterdam
  • R.H.L.M. van Boxtel, ehemaliger Parteivorsitzender im niederländischen Senat, ehemalig Präsident der Niederländischen Eisenbahnen, ehemaliger Minister für Integrations und Stadtplanung
  • Eva van Ingen, ehemaliges Mitglied der Kommission für Entschädigungszahlungen der niederl. Eisenbahn
  • Martin Klingner, Rechtsanwalt (von Salo Muller)
  • Miriam Block, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft
  • Daniel Jochum, Co-Sprecher BAG Mobilität & Verkehr, B90/Grüne
  • Florian Gutsche, Cornelia Kerth für die VVN-BdA Bundesvorsitzende/r
  • Thomas Käpernick, Vorsitzender Arbeitsgemeinschaft Neuengamme
  • Chaja Boebel für das Ressort Grundsatzfragen und Gesellschaftspolitik IG Metall Vorstand FB Grundsatz
  • Dr. Rolf Surmann, Historiker und Publizist
  • Neithard Dahlen, Mitglied der Lagergemeinschaft-Auschwitz
  • Jonas Kühne für den Vorstand des Verbandes der Gedenkstätten in Deutschland e.V.
  • Daniela Schmohl und Tobias Kley für den Sprecher*innenrat der sächsischen Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus
  • Gedenkstätte für Zwangsarbeit Leipzig
  • Heino Schomaker, Dr. Harald Schmid, Indre Schmalfeld, Christiana Lefebvre für den Vorstand der Landesarbeitsgemeinschaft Gedenkstätten und Erinnerungsorte in Schleswig-Holstein e.V.
  • VVN BdA Lichtenberg
  • Matthias Behring für den Landesvorstand der VVN-BdA SH e. V.
  • Markus Tervooren, Geschäftsführer Berliner VVN-BdA e.V.
  • Sven Gerstner-Nitschke  für AKuBiZ e.V., Pirna
  • Sharon Adler, Publizistin und Fotografin Berlin, Stiftung ZURÜCKGEBEN, AVVIVA Berlin
  • Sabine Bade für „Stolpersteine für Konstanz – Gegen Vergessen und Intoleranz“
  • Lars Reissmann für den Arbeitskreis Distomo
  • Dr. Olaf Kistenmacher, Hamburg / Historiker, Journalist
  • Johannes Spohr, Historiker
  • Wolfram Siede, Gewerkschaftssekretär der Schweizer Gewerkschaft des Verkehrspersonal
  • Martin Schellenberg, Einzelperson
  • Alyn Sisic, Einzelperson
  • Cornelia Siebeck, Historikerin
  • Kai Müller, Historiker und Gedenkstättenpädagoge, Berlin
  • Alexandra Senfft, Autorin 
  • Rüdiger Pohlmann, Kursleiter  für Menschen mit Behinderung
  • Heidburg Behling, Pädagogin
  • Anette Przybilla-Eisele, Auschwitz-Komitee i.d. BRD e.V.
  • Dr. Fredrik Dehnerdt, AK Neofa der VVN-BdA Hamburg
  • Sophie Lierschof, Aktivistin
  • marius giese, Friedrichskoog
  • Giorgis Fotopoulos, Filmregisseur
  • Dr. Lothar Zieske (Hamburg), Auschwitz-Komitees i.d. BRD e.V.
  • Doris Schneider, Antifaschistin und Gewerkschafterin
  • Alexander Fleischmann, Antifaschist und Pflegekraft UKE
  • Norma Fötsch, Juristin
  • Dipl.-Soz. Liane Lieske, Mitglied VVN, VEVON eV, Auschwitz-Komitee i.d. BRD e.V.
  • Candice Breitz, Künstlerin, Berlin
  • Felix Krebs, Aktivist im Hamburger Bündnis gegen Rechts
  • Johanna Wintermantel, Journalistin
  • Dr. Rosa Fava, Politische Bildnerin
  • Sevda Altintas
  • Lene Greve, Arbeitsgemeinschaft Antifaschismus Universität Hamburg
  • Franziska Hildebrandt, Hamburger Ratschlag für den 8. Mai als Feiertag
  • Susanna Harms, Politologin und politische Bildnerin, Berlin
  • Arnon Hampe, politischer Bildner

„Nur wer zahlt, meint es ernst!“

26. September 2024

Die Verantwortungsverweigerung der Deutschen Bahn AG für die Beteiligung der Deutschen Reichsbahn am nationalsozialistischen Mordprogramm 80 Jahre danach

Wann: So, 13. Oktober 2024, 18 Uhr

Wo: aquarium/ Südblock / Skalitzer Str. 6 | 10999 Berlin- Kreuzberg | (U-Kottbusser Tor, Berlin)

Veranstalter*innen:
AK-Distomo, Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V. und Berliner VVN-BdA e.V.

Mit:

Tayo Awosusi-Onutor (Künstlerin und Mitbegründerin von RomaniPhen e.V.) und

Achim Doerfer (Anwalt, Autor und Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Göttingen).

Martin Klingner (Rechtsanwalt, Aktivist im AK-Distomo)

Wie ernstgemeint ist das Gedenken in der Bundesrepublik Deutschland an die NS-Verbrechen? Die Veranstaltung beleuchtet die Frage, ob der deutsche Staat und seine Institutionen wie die Deutsche Bahn AG ernsthaft Verantwortung für die Beteiligung ihrer Rechtvorgängerinnen am NS-Mordprogramm übernehmen oder ob das Gedenken nur symbolisch bleibt. Wir setzen einen Kontrapunkt zur offiziellen Erinnerungspolitik, bei der Themen wie die Verfolgung von NS-Tätern und die unzureichende Entschädigung der Opfer ignoriert werden.

„Nur wer zahlt, meint es ernst“, sagt Salo Muller, der als jüdisches Kind von Widerständler*innen versteckt wurde und so den Nationalsozialismus in den Niederlanden überlebte. Seine Eltern wurden mit dem Zug nach Westerbork und Auschwitz deportiert und ermordet.  Salo Muller forderte erfolgreich die niederländische Bahn (Nederlandse Spoorwegen) dazu auf Entschädigungszahlungen zu leisten. In der Bundesrepublik Deutschland hingegen verweigert die Deutsche Bahn AG Salo Muller und anderen Überlebenden und Angehörigen bis heute jegliches Gespräch.

Die Deutsche Reichsbahn verdiente gut an ihrer Mitwirkung am nationalsozialistischen Mordprogramm: Die Opfer mussten sogar für die Kosten ihrer eigenen Deportation selbst aufkommen. Schätzungen zufolge erhielt die Deutsche Reichsbahn umgerechnet etwa 445 Millionen Euro für diese Fahrten in Sammel-, Konzentrations- und Vernichtungslager.

Eine Diskussion über eine moralische, aber auch rechtliche Pflicht zu Entschädigungszahlungen wird systematisch verweigert. Die Deutsche Bahn AG, Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn, beteiligt sich zwar an Ausstellungen über ihre NS-Vergangenheit und spendet für die Gedenkstätte in Yad Vashem, weigert sich aber, ihre finanziellen und moralischen Schulden anzuerkennen. 

Die deutsche Gedenkkultur wird oft als vorbildlich dargestellt, doch die tatsächliche Verantwortung für NS-Verbrechen bleibt aus. Ein Beispiel für die fehlende Sensibilität ist die Planung einer neuen S-Bahn-Strecke der Deutsche Bahn AG in Berlin, deren Tunnel am Denkmal für die im NS ermordeten Roma*Romnja und Sinti*Sintizze entlang verlaufen soll.  Bei Bauplanungen wird ein Schaden am Denkmal in Kauf genommen und das Andenken an die Opfer ignoriert und die Überlebenden und Angehörigen wurden nicht in die Planung einbezogen

Am Tag vor dem offiziellen Gedenken an die Deportationen der Jüdinnen*Juden am Gleis 17 in Berlin wollen wir über das das Auseinanderfallen von kulturellen Formen einer Verantwortungsübernahme, die vor allem dem Selbstbild der NS-Nachfolgegesellschaft dienen, und der fehlenden materiellen Haftung im Interesse der Opfer und Angehörigen ins Gespräch kommen. Welche Kritik gibt es an der Gedenkpolitik in Deutschland und welche Perspektiven gehen im öffentlichen Diskurs unter?

  • Tayo Awosusi-Onutor ist Sängerin, Autorin, Verlagsinhaberin, Filmemacherin, Mitbegründerin von RomaniPhen e.V. und Teil der IniRromnja, zwei feministische Selbstorganisationen. In ihrer Kunst verbindet die Afro-Sintezza den Kampf gegen Diskriminierung mit Erinnerungskultur. Seitdem die Pläne bekannt sind, für den Bau einer neuen S-Bahn das Denkmal für die ermordeten Roma Europas zeitweise zu schließen und seine Gestalt zu verändern, engagiert Tayo Awosusi-Onutor sich in der von Roma*Romnja und Sinti*Sintizze getragenen Protestbewegung.
  • Achim Doerfer ist Rechtsanwalt, promovierter Rechtsphilosoph und Publizist, war lange Jahre Bundesvorsitzender der „Liberalen Türkisch-Deutschen Vereinigung“, ist Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Göttingen, stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes der Israelitischen Kultusgemeinden Niedersachsens. In seinem Buch Irgendjemand musste die Täter ja bestrafen thematisiert Achim Doerfer jüdischen Widerstand gegen den Nationalsozialismus, die Defizite von Strafverfolgung und die Dominanz eines christlich geprägten Versöhnungsverständnisses.
  • Martin Klingner vom Arbeitskreis-Distomo und Rechtsanwalt von Salo Muller wird darlegen, wie sich eine allgemeine politische Haltung in Deutschland in der Verweigerung der Entschädigungspflichten der Deutsche Bahn AG als Nachfolgerin der Reichsbahn spiegelt. Der AK-Distomo kämpft seit vielen Jahren für die Entschädigung von NS Opfern.

Anschließend Diskussion mit allen Anwesenden.

Wann: So, 13. Oktober 2024, 18 Uhr

Wo: aquarium/ Südblock (U-Kottbusser Tor, Berlin)

Eintritt frei, Spende erwünscht

Die Veranstaltung findet am Vorabend der offiziellen Gedenkfeier zum Beginn der Deportationen der Jüdinnen*Juden am Gleis 17 in Berlin statt.

Pressemitteilung zu den Wahlergebnissen in Thüringen und Sachsen

2. September 2024

„An dem Tag, an dem ein Faschist eine Wahl gewinnt, erklärt der Bundespräsident die Begrenzung der Migration zur Obersten Priorität. Nicht den Kampf gegen den Faschismus.“

Erstmals seit 1945 ist es einer im Kern faschistischen Kraft in Deutschland gelungen, in zwei Bundesländern einen Großteil der Stimmen auf sich zu vereinigen.

Antifaschistische Organisation und Politik sind nötiger denn je!

Der AfD ist es in Thüringen zum ersten Mal gelungen, als eindeutig faschistisch dominierte Partei stärkste Kraft in einem Bundesland zu werden. In Sachsen belegt sie mit minimalem Abstand zur führenden CDU den zweiten Platz. Damit ist die von Antifaschist*innen seit langem befürchtete Katastrophe eingetreten. Die Auswirkungen auf die demokratische Zivilgesellschaft und emanzipatorische Projekte werden zweifellos verheerend sein.

Der AfD gelingt unter Führung des Nationalsozialisten Björn Höcke ein entscheidender Schritt zur Macht. Die Niederlage Höckes beim Kampf um das Direktmandat ist dabei nur ein schwacher Trost, zeigt aber, dass gezielte Kampagnen gegen Kandidaten der AfD sinnvoll und erfolgreich sein können. Es bleibt abzuwarten, ob daraus innerparteiliche Verwerfungen oder Konsequenzen folgen.

Dieser Wahlsieg der AfD kommt nicht überraschend, sondern hat sich über Jahre abgezeichnet. Eine wesentliche Ursache dafür ist, dass es der AfD gelungen ist, den rechten Mythos von der Migration als „Mutter aller Probleme“ ins Zentrum der der politischen Debatte zu bringen und sämtliche Themen jenseits der Faktenlage auf den Aspekt der Migration zuzuspitzen. Dies war und ist nur möglich, weil alle relevanten Parteien der Schwerpunktsetzung der AfD folgten. Inhaltlich entsteht in der politischen Arena so ein politischer und rhetorischer Überbietungswettkampf nach rechts. Dieser ist gegen nazistische Parteien logischerweise nicht zu gewinnen.

In den Wahlkämpfen der letzten Monate überwogen eindeutig bundespolitische Themen und die dazugehörigen Forderungen. Lösungsorientierte Ansätze für die sozial- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen kamen in der öffentlichen Debatte nicht zum Tragen. Die ungehemmte Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben geht weiter: immer mehr Reiche werden von Millionären zu Milliardären, während immer mehr Menschen kaum noch ihre Miete bezahlen können und Soziales, Gesundheit, Bildung und Infrastruktur chronisch unterfinanziert sind. Das sichtbare Elend in den Städten wächst. Klimaschutz und Verkehrswende bleiben auf der Strecke.

Statt hier tragfähige Konzepte zu entwickeln, werden seit Jahren rassistische und sozialdarwinistische Ressentiments bedient und dabei bis tief in die Gesellschaft legitimiert. Die weitere Abschottung Europas gegen Menschen auf der Flucht, der schändliche Umgang mit den afghanischen „Ortskräften“, Einführung von Chipkarten statt Bargeld für Geflüchtete oder das Ansinnen von FDP und Union, das sogenannte Bürgergeld (aka Hartz IV) unter das bestehende Existenzminimum zu streichen, sind Ausdruck dessen. Das politische Programm der AfD führt so schon jetzt zur wachsenden Verarmung breiter Bevölkerungsschichten, paradoxerweise insbesondere unter ihren Wählerinnen und Wählern.

Spätestens die Resultate in Thüringen und Sachsen zeigen: es lohnt sich für die anderen Parteien nicht, die Menschenfeindlichkeit der AfD zu übernehmen. Diese Strategie kann und wird keine Erfolge liefern. Statt auf Ausgrenzung gegenüber Geflüchteten und Armen zu setzen, müssen alle demokratischen und emanzipatorischen Kräfte Werte der Solidarität und des Humanismus in den Vordergrund stellen. Dem Aufstieg der AfD als parlamentarischer Ausdruck des Faschismus in der BRD muss eine Politik der sozialen Gerechtigkeit und der Verteidigung der Menschenrechte für alle entgegengesetzt werden.

Die AfD muss auf allen Ebenen bekämpft werden, persönlich, gesellschaftlich, politisch, juristisch!
Macht mit bei Aufstehen gegen Rassismus, unterstützt die Kampagne „AfD-Verbot jetzt!“ und werdet zum nächsten Parteitag der AfD Teil von Widersetzen!

Kontakt:
presse@vvn-bda.de
Mobil |Mobile +49 (0)178 2785958

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