Antifa Jour Fixe Juli 2017

Montag, 17. Juli, 18.30 Uhr , Café Sibylle,

Karl-Marx-Allee 72 – 10243 Berlin

Werner Scholem
(1895-1940)
Romane und Realitäten

Ralf Hoffrogge liest

Werner Scholem (1895-1940) wird heute meist verbunden mit seinem Bruder Gershom, Benjamin-Herausgeber und Experte zur jüdischen Mystik.
In den 1920ern war jedoch der „große Bruder” Werner weit prominenter, als KPD-Politiker mischte er im Reichstag die Szene auf – Walter Benjamin schimpfte ihn dafür einen „Lausejungen”.Doch die Provokationen waren nicht inhaltsleer: Trotz schriller Töne legte Scholem stets den Finger in die Wunde, brandmarkte die reaktionäre Schulpolitik der Weimarer Republik genauso wie ihre rechtslastige Justiz.Er kritisierte steigenden Antisemitismus und warnte bereits im April 1923 vor einem Putsch Hitlers. Doch Scholem konnte den Rechtsruck nicht verhindern: 1926 wurde er als Gegner Stalins aus der KPD hinaus- gesäubert, 1933 verhaftet und 1940 im KZ Buchenwald ermordet.
Scholems Leben erfuhr literarische Verarbeitungen von Franz Jung über Alexander Kluge bis zu Hans Magnus Enzensberger, stets stand dabei seine angebliche Spionagetätigkeit für die Sowjetunion im Vordergrund: Scholem habe als Geliebter der Generalstochter Marie Luise von Hammerstein die Aufmarschpläne der Wehrmacht aus dem Bendlerblock abgefangen und nach Moskau geleitet. Anhand von Material aus geheimen Archiven sortiert Scholem-Biograph Ralf Hoffrogge im Vortrag Romane und Realitäten und legt dar, inwieweit sich die reale Verfolgungsgeschichte Scholems von der seines literarischen Doppelgängers unterscheidet.

Die Einleitung bildet die 20-minütige Kurzdoku „Von der Utopie zur Gegenrevolution” über Werner und Emmy Scholem von Niels Bolbrinker.