Arbeitskreis „Fragt uns, wir sind die Letzten“

Der Arbeitskreis „Fragt uns, wir sind die Letzten“ besteht aus Menschen aus verschiedenen antifaschistischen Zusammenhängen, die sich aktiv mit der Geschichte des NS auseinandersetzen. Uns geht es darum, die Perspektiven von Verfolgten und Menschen aus dem antifaschistischen Widerstand zu bewahren und sichtbar zu machen. Seit 2010 veröffentlichen wir deswegen jährlich eine Broschüre mit Interviews mit Überlebenden.

Die Erinnerungen von Verfolgten und Menschen aus dem Widerstand sind ein bedeutendes Gegengewicht zu herrschenden Geschichtsbildern und der Mehrheit von Zeitzeug_innen, die angeblich unterschiedslos Opfer waren oder von nichts wussten – vor allem nicht von ihrer eigenen Schuld. Dabei erwarten wir von Überlebenden nicht, dass sie uns Geschichte objektiv vermitteln. Es geht uns gerade um ihre individuellen Schlüsse und Bewertungen. Unsere Interviews orientieren sich weniger an einem vermeintlich objektiven Zugang zu Geschichte, als vielmehr an einem persönlichen. Wie erlebten Menschen Verfolgung und/oder Widerstand? Welche Erkenntnisse zogen sie daraus? Was waren und sind ihre Beweggründe, sich gegen nazistisches und menschenfeindliches Gedankengut einzusetzen

Selbstverständlich ist auch eine gewisse Distanz unsererseits zum Erzählten wichtig. In den Interviews zeigt sich nicht nur eine persönliche Verfolgungsgeschichte, sondern immer auch eine individuelle Sichtweise auf diese Geschichte. In einer kritisch-solidarischen Auseinandersetzung mit den Erinnerungen erweitern wir unser Verständnis des Geschehenen. Die Überlebenden zu befragen, wird jedoch bald nicht mehr möglich sein. Umso dringlicher ist es, jetzt mit ihnen ins Gespräch zu kommen und ihre Perspektiven öffentlich zu machen.

Uns geht es dabei nicht darum, die Vergangenheit zu „bewältigen“ oder mit ihr abzuschließen. Vielmehr möchten wir marginalisierte Perspektiven sichtbar machen und aus den Erfahrungen der Überlebenden Konsequenzen für unser Denken und Handeln heute ziehen. Wir erheben dabei nicht den Anspruch, alle unterschiedlichen Formen der NS-Verfolgung darzustellen und die vielfältigen Erfahrungen und Sichtweisen von Verfolgten und Menschen aus dem Widerstand repräsentativ abzubilden. Die geschilderten Verfolgungs- und Widerstandsgeschichten verstehen wir als Appell, sich Neonazis und menschenfeindlichem Gedankengut in der Gesellschaft entgegenzustellen und für emanzipatorische Ideen einzutreten. In diesem Sinne stellt die Broschüre auch eine Aufforderung zum Aktivwerden dar.