Antifa Jour Fixe | Jahr 2017

Montag, 20. November  18.30 Uhr
Sozialrassistische Verfolgung im deutschen Faschismus.
Kinder, Jugendliche, Frauen als sogenannte »Asoziale«
Schwierigkeiten beim Gedenken – Buchvorstellung mit Anne Allex

Den Namen »Schicksalsgemeinschaft der Vergessenen« wollte sich 1946 eine Gruppe von Verfolgten des Naziregimes in Berlin geben. Ihnen ­wurde von den Alliierten die Zulassung als Verein verweigert. Es handelte sich um Menschen, die als asozial und arbeitsscheu stigmatisiert worden waren. Darunter konnten alle Menschen fallen, die sich nicht den Normen anpassten, die der NS-Staat und die deutsche Volksgemeinschaft gesetzt hatten.

Der Sammelband dient der Aufarbeitung der Geschichte der so genannten Asozialen und so genannten Kriminellen im deutschen Faschismus.
Im Mittelpunkt stehen die Auswirkungen der (sozial)rassistischen NS-Sozialpolitik auf Kinder, Jugendliche und Frauen, die als „arische“ „Minderwertige“mit Deportationen in Arbeitshäuser, Kinderheime, Psychiatrien, Konzentrationslager, Zwangssterilisation und Vernichtung durch Arbeit oder in Todesanstalten „ausgemerzt“ werden sollten.

Der Band gibt einen Überblick über Forschungen von Initiativen, Einzelpersonen und Angehörigen und versteht sich als Anregung zur Auseinandersetzung mit Klischées, Vorbehalten und Vorurteilen zu oben genannten Personenkreisen. Deutlich werden die Diskrepanzen zwischen der institutionellen Erinnerungspolitik, die auf Verschweigen bzw. weitere Stigmatisierung dieser verfolgten Frauen, Kinder und Jugendlichen setzt und die gedenk- und erinnerungspolitischen Vorstellungen von Initiativen.

Blick ins Buch>>>

Anne Allex (Hg): Sozialrasstische Verfolgung im deutschen Faschismus

 

Montag, 16. Oktober, 18.30 Uhr
Das Lied wollte meiner Stimme zu hoch werden
Martin Luther – Rebell und Reformator und dann?

Gina Pietsch (voc) und Christine Reumschüssel (piano)

Dann wird er gegen Bauern als tolle Hunde und vollkommene Schweine hetzen, gegen Türken als Geißel Gottes, gegen Juden als Erzdiebe und Räuber, gegen Behinderte als teufelsähnlich, gegen Frauen als minderwertig wegen vieler Ausscheidung und wenig Geist.
Unpassend all das zur „Wittenbergischen Nachtigall”, wie ihn der Schuhmacherdichter Hans Sachs nennt. Besonders die Lieder waren es, die die nötigen Veränderungen beförderten, die „Marseillaise der Reformation” war dabei, wie Engels Luthers Lied „Ein feste Burg ist unser Gott” nennt. Luther meinte die „Befreiung vom römischen Joch”, das Volk meinte dazu noch ein anderes Joch. Luther meinte, zum Dulden sind die Christen bestimmt. Die Bauern meinten, sie hätten nun genug geduldet. Und langsam merkte auch er es.

Von Erfolgen und Widersprüchen eines Großen singen und erzählen Gina Pietsch (voc), und Christine Reumschüssel (piano)

 

Montag, 18.September, 18.30 Uhr
Child Survivors in Aktion – Horst Selbiger und Philipp Sonntag berichten

Unter den 6 Millionen ermordeter Juden Europas waren auch 1 1/2 Millionen Kinder. Viele Überlebende waren 1945 politisch hoch engagiert und forderten eine radikale Abrechnung mit dem Faschismus. Die wenigen 2017 noch Lebenden sind jetzt in 55 Gruppen, in 18 Ländern – von der ersten Gruppe, 1988 in den USA gegründet, kommt der Name. Horst Selbiger war 2001 Gründungsmitglied des deutschen Vereins und lange dessen Vorsitzender. Sein dramatisches Leben stellt er in einer Biografie dar, die bald in der Buchreihe: „Bittere Vergangenheit! – Bessere Zukunft?“ erscheint. Philipp Sonntag, Herausgeber der Reihe, spürt die innere Unruhe und die politischen Engagements der Child Survivors und hilft bei der Abfassung ihrer Berichte. Noch immer sind wir als Zeitzeugen in den Schulen aktiv; und noch immer lösen unsere Antennen Alarm aus bei jeder Form des offenen oder versteckten Antisemitismus.

 

Montag, 21. August, 18.30 Uhr
70 Jahre Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes
Peter Neuhof, Gründungsmitglied der Berliner VVN, im Gespräch mit Hans Coppi.

Durch, wie er selbst sagte, »unwahrscheinliche Glücksumstände« überlebte Peter Neuhof, Sohn kommunistisch, jüdischer Widerstandskämpfer aus Frohnau, die Naziherrschaft. Sofort nach der Befreiung stürzte er sich in den Kampf für eine andere, eine antifaschistische Gesellschaftsordnung.

Der VVN gehörte er seit ihrer Gründung an. Er wurde Journalist und war lange Jahre Korrespondent des DDR-Nachrichtenagentur ADN in Westberlin.

Peter Neuhof spricht über die Gründungszeit der Berliner VVN vor 70 Jahren – von den Erwartungen der aus den Gefängnissen und Lagern Zurückgekommenen, den Hoffnungen, die sie mit der VVN verbanden, den Schwierigkeiten und Widerständen, die es dabei gab und was künftige Aufgaben antifaschistischer Arbeit sind.

 

Montag, 17. Juli, 18.30 Uhr
Werner Scholem
(1895-1940)
Romane und Realitäten

Ralf Hoffrogge liest

Werner Scholem (1895-1940) wird heute meist verbunden mit seinem Bruder Gershom, Benjamin-Herausgeber und Experte zur jüdischen Mystik.
In den 1920ern war jedoch der „große Bruder” Werner weit prominenter, als KPD-Politiker mischte er im Reichstag die Szene auf – Walter Benjamin schimpfte ihn dafür einen „Lausejungen”.Doch die Provokationen waren nicht inhaltsleer: Trotz schriller Töne legte Scholem stets den Finger in die Wunde, brandmarkte die reaktionäre Schulpolitik der Weimarer Republik genauso wie ihre rechtslastige Justiz.Er kritisierte steigenden Antisemitismus und warnte bereits im April 1923 vor einem Putsch Hitlers. Doch Scholem konnte den Rechtsruck nicht verhindern: 1926 wurde er als Gegner Stalins aus der KPD hinaus- gesäubert, 1933 verhaftet und 1940 im KZ Buchenwald ermordet.
Scholems Leben erfuhr literarische Verarbeitungen von Franz Jung über Alexander Kluge bis zu Hans Magnus Enzensberger, stets stand dabei seine angebliche Spionagetätigkeit für die Sowjetunion im Vordergrund: Scholem habe als Geliebter der Generalstochter Marie Luise von Hammerstein die Aufmarschpläne der Wehrmacht aus dem Bendlerblock abgefangen und nach Moskau geleitet. Anhand von Material aus geheimen Archiven sortiert Scholem-Biograph Ralf Hoffrogge im Vortrag Romane und Realitäten und legt dar, inwieweit sich die reale Verfolgungsgeschichte Scholems von der seines literarischen Doppelgängers unterscheidet.

Die Einleitung bildet die 20-minütige Kurzdoku „Von der Utopie zur Gegenrevolution” über Werner und Emmy Scholem von Niels Bolbrinker.

 

schindlerMontag, 19. Juni, 18.30 Uhr
VERHAFTET UND ERSCHOSSEN» EINE FAMILIE ZWISCHEN STALINS TERROR UND HITLERS KRIEG
Lesung und Gespräch mit der Autorin Anja Schindler
Moderation: Regina Girod

Das Buch reiht sich ein in die Reihe der Familiengeschichten, verfasst von der Zweiten Generation, die selbst noch im Exil geboren wurde. Anja Schindler konnte sich auf die Briefe ihrer Großmutter stützen, die diese bis zu ihrer Verhaftung nach Deutschland schrieb, sowie auf die Erinnerungen ihres Großvaters und ihrer Mutter, Ursula Schwartz, die — anders als die Großmutter und deren Sohn—den Terror des Jahres 1937 überlebten. So liegt eine dicht am Lebensalltag erzählte Kollektivbiographie einer Familie vor, die 25 Jahre das Schicksal der sowjetischen Mehrheitsbevölkerung teilte: in einer kaukasischen Kommune, im terrorisierten Leningrad, im Gulag und schließlich in der kasachischen Verbannung.

Die Besonderheit des Buches: Es ist keine Lagerliteratur. Die Leidensjahre 1938 bis 1956 sind ausgespart, die Opferperspektive wird vermieden. Den Leser erwartet vielmehr eine ungewöhnlich detail- und farbenreiche Schilderung mit zahlreichen Fotos vom Alltag einer fünfköpfigen Arbeiterfamilie.

Marlene Dietrich - Her Own SongMontag, 15. Mai, 18.30 Uhr
Nicht nur von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt…
Zum 25. Todestag Marlene Dietrichs

Anlässlich ihres 25. Todestages am 6. Mai dieses Jahres will die Arbeitsgruppe Jour Fixe dem Leben der Sängerin, Schauspielerin und Antifaschistin Marlene Dietrich nachgehen, mit einer Reihe ihrer Lieder und mit Texten aus ihrer Autobiografie »Ich bin Gott sei Dank Berlinerin«.

Ihr »Entdecker« war 1930 Josef von Sternberg mit seinem »Blauen Engel«, in dem sie die Lola spielte. Sie sang sich mit Friedrich Hollaenders Songs in die Herzen des deutschen Publikums und bald in das der Welt. »Er hat mich geschaffen«, wird sie nach sieben Filmen in Amerika sagen. Und sie wird 1936 ihre Ablehnung, in Nazideutschland zu drehen, begründen mit Goebbels Ablehnung, Josef von Sternberg die Arbeit in Deutschland zu gestatten, weil er Jude ist. In Amerika drehte sie weiter mit den größten Regisseuren, Hitchcock, Lubitsch, Welles, Wilders. Doch das reichte ihr nicht. Nachdem sich ihr Geliebter Jean Gabin in Amerika freiwillig zu den französischen Befreiungsstreitkräften gemeldet hatte, brannte Marlene Dietrich ebenfalls darauf, ihren Anteil für den Kampf gegen den Hitlerfaschismus zu leisten. Sie als Sängerin für die GIs möglichst nahe der Front auf. Wegen ihrer bedingungslosen Solidarität für die kämpfenden »boys« wurde sie eine der beliebtesten und begehrtesten Akteurinnen der amerikanischen Truppenbetreuung in Afrika, Italien und Frankreich. Ihr politisches und soziales Engagement gegen das NS-Regime fand international deutlich früher eine Würdigung als in Deutschland. Schon 1947 erhielt Marlene Dietrich die Medal of Freedom, den höchsten Orden der USA für Zivilisten. In Deutschland bleibt sie nach ihrem Tod immer noch bei manchen als »Vaterlandsverräterin« umstritten. (Gina Pietsch)

 

MUmgebenVonontag, 17. April, 18.30 Uhr
Buchlesung und Gespräch mit
Gabriel Berger
Umgeben von Hass und Mitgefühl
Moderation: Dr. Beate Kosmala (Historikerin)
Der von Jakob Egit und seinen Mitstreitern konzipierte „jiddische Jischuv“ sollte eine Alternative zur zionistischen Ansiedlung von Juden, Überlebenden des Holocaust, in Palästina werden. Das Projekt einer weitgehenden kulturellen, politischen und wirtschaftlichen Autonomie von Juden in Niederschlesien wurde von der neuen kommunistischen Staatsmacht Polens zunächst unterstützt. Es scheiterte aber an der durch Pogrome ausgelösten panikartigen Flucht von Juden aus Polen, an der Gleichschaltung der Gesellschaft, dem polnischen Nationalismus sowie an der durch Stalin initiierten antisemitischen Welle im gesamten Ostblock. Um die Nachkriegssituation der Juden in Polen verständlich zu machen, wird in dem Buch auch auf die konfliktreichen polnisch-jüdischen Beziehungen vor dem Zweiten Weltkrieg und während des Krieges eingegangen. Dabei wird sowohl die Kollaboration vieler Polen mit der Besatzungsmacht bei der Judenvernichtung, als auch die Rettung von Juden durch polnische Mitbürger thematisiert.

Foto Vera Friedländer jungMontag, 20. März, 18.30 Uhr
Zeitzeuginnengespräch und Buchlesung
Der Umgang der „seriösen“ Firma Salamander mit der Nazi-Vergangenheit
Vera Friedländer berichtet über ihr neues Buch

Wer denkt denn an Schuhe, wenn es um Profit und Macht geht? An Krupp, VW, IG Farben denkt man. Was haben Schuhe damit zu tun? Salamander ist durch das Nazi-System der größte, dominierende Schuh-Konzern geworden, reich und mächtig. Salamander hat viel zu verantworten: den Raub jüdischen Eigentums, die Vernichtung von Existenzen, den Einsatz von Häftlingen unter mörderischen Bedingungen, die Ausbeutung von Zwangsarbeitern.

Vera Friedländer musste als 16-Jährige im Reparaturbetrieb von Salamander in derKöpenicker Str. 6a-7 in Berlin-Kreuzberg Zwangsarbeit leisten. Sie musste nichtmarkierte Schuhe sortieren und fragte sich: Woher kommen diese Schuhe? Nach einer Zeit der Verdrängung hat sie die Erinnerungen wieder aufgerufen und konnte diese Frage und andere, die sich daraus ergaben, beantworten. Viele Jahre sammelte sie dokumentarisches Material, das sie in dem Buch „Ich war Zwangsarbeiterin bei Salamander“ präsentiert. Sie weist nach, dass der Firmenhistoriker Hanspeter Sturm im Auftrag von Salamander die Fakten gefälscht, verharmlost oder geleugnet hat und dass seine Schriften mit Elementen der Nazi-Sprache übersät sind. Die Direktoren des Konzerns zogen es vorm, beharrlich zu schweigen.

da-muesst-ihr-euch-mal-drum-kuemmern-werner-gutsche-1923-2012-und-neukoelln_9783863313227Montag, 20. Februar, 18.30 Uhr
Werner Gutsche (1923–2012) „Da müsst ihr euch mal drum kümmern“
Spuren, Erinnerungen, Anregungen

Im Dezember 2012 verstarb Werner Gutsche unerwartet im Alter von 89 Jahren. Er hat sich über viele Jahre in Neukölln insbesondere für die Aufarbeitung der
NS-Geschichte engagiert. Dafür war er 2004 mit der Neuköllner Ehrennadel geehrt worden.

Inspiriert von Werner Gutsches legendärem Ausspruch „Da müsst ihr euch mal drum kümmern“ haben seine Wegbegleiter, Freundinnen und Freunde einen Sammelband erstellt. Er enthält zahlreiche Erinnerungen an Werner und Forschungsbeiträge zu Neuköllner Themen, mit denen er sich beschäftigte.

Das Buch ist nun im Metropol-Verlag erschienen. Die Herausgeber Frieder Boehne, Bernhard Bremberger und Matthias Heisig stellen es vor.

 

 

NS14Montag, 16. Januar 2017, 18.30 Uhr
„Mein Briefwechsel mit Nelly Sachs“

Prof. Dr. Heinrich Fink berichtet über das Leben der jüdischen Dichterin und persönliche Begegnungen mit ihr.
Dazu liest Gina Pietsch aus ihrem Werk.

Die Dichterin Nelly Sachs wurde vor 125 Jahren in Berlin geboren und wuchs in ihrem jüdischen Elternhaus auf. Schon als Schülerin wurden ihre Gedichte beachtet. Der Deportation ins KZ ist sie nur knapp entkommen. Freunde, unter ihnen Selma Lagerlöf, haben sie nach Schweden gerettet. Lebenslang blieb das Schicksal des jüdischen Volkes das Thema ihrer Dichtung. Heinrich Fink hat sie persönlich kennengelernt und stand mit ihr im Briefwechsel. Er wird über ihre Biographie berichten.

 

 

 

 

ANTIFA Jour fixe der Berliner VVN-BdA

Immer am 3. Montag des Monat

Immer im Café Sibylle

Immer um 18.30 Uhr.