Horst Selbiger Rede anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945

6. Februar 2015

Horst Selbiger Rede anlässlich des 70. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz am 27. Januar 1945, gehalten am 29. Januar 2015 vor der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf

Sehr geehrte Vorsteherin der Bezirksverordneten-Versammlung Marzahn-Hellersdorf, Frau Bernikas, sehr geehrte Bezirksverordnete, sehr geehrter Herr Bürgermeister Komoß, liebe Kameradinnen und Kameraden der VVN-BdA, liebe Freunde,

 

es ist mir eine große Ehre, als einer der letzten Überlebenden des Völkermords an den europäischen Juden, zum Auschwitz-Gedenken vor Ihnen sprechen zu dürfen. Allein in Auschwitz wurden über eine Million Menschen ermordet. In der Nacht zum 27. Januar 1945 wurden die letzten Krematorien gesprengt. Die Bewacher der SS machten sich aus dem Staube und wurden zu Heckenschützen. Dennoch fielen beim Kampf um Auschwitz noch fast 300 Sowjetsoldaten.

 

Am 27. Januar vor 70 Jahren verharrten dort noch 7.000 verängstigte, fast erfrorene und verhungerte Häftlinge. Um 3 Uhr nachmittags erreichten zwei vermummte Gestalten das Tor von Auschwitz-Birkenau. Ein Freudenschrei erhob sich aus der Menge der Gefangenen: „Die Russen sind da! Die Russen sind da!“ Das Vernichtungslager Auschwitz war durch die Rote Armee befreit.

Das Vernichtungslager Auschwitz war durch die Rote Armee befreit.

Gestatten Sie mir, daran zu erinnern, dass neben den sechs Millionen ermordeter Juden, auch 20 Millionen Sowjetbürger, Zivilisten und Soldaten, ihr Leben für die Befreiung Europas vom Hitlerfaschismus gelassen haben. Deshalb empfehle ich der Bundesregierung, dies bei dem jetzigen Konflikt um die Ukraine und den Verhandlungen mit Russland stets im Blickfeld zu behalten. Ich finde es skandalös, dass Präsident Putin nicht zu den Feierlichkeiten zum 70. Jahrestag der Befreiung von Auschwitz eingeladen wurde. Der „böse Putin“ durfte nicht kommen, dafür hielt der „gute Gauck“ seine Rede.

Drei Monate nach der Befreiung von Auschwitz stand ich im April 1945 in Berlin, nach dreijähriger lebensgefährlicher Zwangsarbeit in den Trümmern des zerstörten Berlins auf der Straße.

 

Wie sah mein Leben damals aus? Ich bin Jahrgang 1928, war also 17 Jahre alt, ohne Schulabschluss und ohne Berufsausbildung. Dafür aber hatte ich Narben an Leib und Seele. Und die entstanden so: Als ich 1934 eingeschult wurde, war ich der einzige Jude in der Klasse und wurde selbst von den sechsjährigen Mitschülern sofort ausgegrenzt. Ich wurde geschlagen und bespuckt. Ich war der „Itzig“ und die „Judensau“.

 

Ich war in Kinderjahren Beleidigungen, Demütigungen und Tätlichkeiten ausgesetzt. Diese Behandlungen förderten aber auch meinen Widerspruchsgeist. Als ich acht Jahre alt war, habe ich beim jüdischen Sportverein Makkabi boxen gelernt. Das half mir, selbstbewusster zu werden, und ich wehrte mich.

 

Als mein Vater und meine nichtjüdische Mutter in den zwanziger Jahren geheiratet haben, bestand mein Vater darauf, dass Kinder aus dieser Ehe jüdisch erzogen werden. Als 1935 die Nürnberger Gesetze erlassen wurden, galt die Ehe meiner Eltern als „Mischehe“, weil meine Mutter Nichtjüdin war. Da ich aber jüdisch erzogen wurde, galt ich nicht als „Mischling 1. Grades“, sondern wurde ein sogenannter „Geltungsjude“. Deshalb musste ich später auch den Zwangsnamen „Israel“ annehmen und den „Judenstern“ tragen.

 

Mein Vater war ein angesehener jüdischer Zahnarzt. Er wurde bereits 1933 aufgefordert, seine Praxis zu schließen. Gegen diesen Bescheid legte er Widerspruch ein und bekam zunächst recht, weil er hochdekorierter Frontkämpfer im Ersten Weltkrieg war.

 

Nach der Reichspogromnacht im November 1938 bekam mein Vater endgültig Berufsverbot und musste Zwangsarbeit leisten. Unser Hausrat, die Praxiseinrichtung und das zahnärztliche Labor wurden für lächerliche Pfennigbeträge öffentlich versteigert. Unsere Familie musste in ein „Judenhaus“ umziehen. Wir waren jetzt Untermieter in einer anderthalb Zimmerwohnung, mit gemeinsamer Küchen- und Toilettenbenutzung.

 

Dennoch war ich 1938 froh, dass ich jetzt die Mittelschule der Jüdischen Gemeinde besuchen durfte. Hier fühlte ich mich geborgen, keiner grenzte mich mehr aus, ich gehörte zu einer Gemeinschaft.

 

Wir lebten mit großen Einschränkungen. Wir durften nicht mehr Theater, Kinos, Museen, Leihbüchereien, Sportstätten, Parkanlagen und zoologische Gärten besuchen. Wir durften nicht mehr telefonieren, Zeitungen beziehen, Haustiere halten und mussten alle Radios abgeben. Ab 20 Uhr abends hatten wir Ausgehverbot. Unsere Einkaufszeiten waren von 16 bis 17 Uhr beschränkt. Unsere Lebensmittelkarten wurden mit einem großen „J“ bedruckt. Seit Kriegsbeginn 1939 bekamen wir auf Karten keinerlei Fleisch, Fisch, Milch, Weißbrot, Bötchen, Butter, Eier, Obst, Tee, Kaffee, Schokolade, Kakao, Alkohol, Marmelade, Seife, Brennholz, Kohlen, Schuhe und Kleidung. 1942 mussten wir, entschädigungslos, auch alle elektrischen Geräte, Fahrräder, Schreibmaschinen, Schallplatten und Fotoapparate abgeben.

 

Im Juli 1938 wurde eine besondere Kennkarte für Juden eingeführt und im folgenden erging die Verordnung, dass Juden zusätzlich die Vornamen „Sarah“ und „Israel“ führen müssen. Die Juden waren jetzt überall gekennzeichnet, ausgegrenzt, beraubt und ausgeplündert, isoliert, entrechtet und vogelfrei.

 

Nach Schließung aller jüdischen Schulen begann im April 1942 meine Zwangsarbeit als 14- Jähriger. Mein Jahrgang hatte gerade das achte Schuljahr vollendet. In einem Rüstungszulieferbetrieb stand ich an einem riesigen Bottich, in dem Trichloräthylen gekocht wurde. Trichloräthylen ist eine farblose, klare Flüssigkeit. Sie riecht nach Chloroform und ist nicht entzündbar. In diesem Bottich mit der kochenden, stinkenden, giftigen Brühe musste ich Flugzeugteile aus Metall entfetten.

 

61 Träger des Namens Selbiger waren bereits oder werden noch ermordet. Die älteste ermordete Selbiger ist Großtante Mathilde im 86. Lebensjahr (1857-1942), der jüngste ermordete Selbiger ist Gerson, geboren am 7. Juni 1942, getötet am 9. Dezember 1942; er durfte sechs Monate und zwei Tage leben.

 

Am 27. Februar 1943 umstellte die SS alle Betriebe, in denen Juden arbeiteten, und alle Judenhäuser. Mehr als 25.000 Juden wurden an diesem Tag in Berlin verhaftet und in vier Sammellagern zusammen gepfercht. Dieser Tag ging später in die Geschichte als „Fabrikaktion“ ein. Ich kam mit rund 6.000 Juden in die ehemalige Synagoge Levetzowstraße. Als wir dort von der SS sehr unsanft ausgeladen wurden, standen Frauen auf der Straße und klatschten Beifall. Drinnen wurden uns die jüdischen Kennkarten entzogen. Wir mussten eine Erklärung unterschreiben, dass unser Vermögen wegen „staatsfeindlicher und kommunistischer Umtriebe“ beschlagnahmt war, und wir bekamen die Transportmarke zur Deportation. Wer so etwas durchlebt, den Zug zur Gaskammer aus nächster Nähe gesehen und erlebt hat, den Tod vor Augen, bleibt ein Gezeichneter sein Leben lang. Marcel Reich-Ranicki bezeichnete es so: „Uns wurden Brandzeichen in die Seele gestempelt.“

 

Und dann, nach Tagen der Bedrängnis und der Angst, geschah ein großes Wunder: Mehrere hundert Ehepartner, Kinder und Verwandte protestierten öffentlich gegen die Verhaftungen ihrer Ehemänner, auch Uniformierte waren dabei, Soldaten, sogar höhere Ränge. Ein Augenzeuge berichtete: „Die ganze Rosenstraße war bis hinunter zur Spandauer Brücke schwarz von Menschen. Vor dem Gebäude der Jüdischen Gemeinde wogte eine erregte Menge und skandierte: ‚Lasst unsere Männer frei! Lasst unsere Männer frei!‘“

 

In den Sammellagern wurden die Geltungsjuden aussortiert und die, die in Mischehen lebten. Wir wurden von der SS in die Rosenstraße eskortiert. Mit der Warnung „Zeigen Sie sich nicht am Fenster, es wird sofort scharf geschossen“, wurden wir in die Zimmer verteilt. Und draußen – in der Rosenstraße – demonstrierten noch immer die Partner, die Mütter und Väter der hier Inhaftierten. Da nutzten keine Straßensperren, da nutzten keine Panzerspähwagen, die mit MGs bespickt waren, da nutzte kein Auseinandertreiben. Auch, wenn Einzelne verhaftet wurden – nach ihrer Freilassung demonstrierten sie weiter.

 

In der Nacht gab es den ersten intensiven Bombenangriff auf Berlin, und als die Bomben fielen, konnten wir nicht genug davon bekommen.

 

Die Proteste in der Rosenstraße wurden lange Zeit von der Geschichtsschreibung nicht so recht beachtet. Dabei sind sie in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert. Zum einen zeigen sie, welche Wirkung Mut und Hartnäckigkeit selbst in den dunkelsten Jahren des „Dritten Reiches“ entfalten konnten, zugleich aber werfen sie ein beschämendes Bild auf jene vielen Millionen Menschen, die weggeschaut, der Vernichtung Beifall gezollt oder sich selbst an der Vernichtung der Juden mittelbar oder unmittelbar beteiligt haben.

 

Wir wurden wieder in unsere Judenhäuser entlassen. Als Zwangsarbeit mussten wir jetzt die Gefahrenstellen nach Luftangriffen beseitigen. Ich arbeitete auf den höchsten Brandmauern und Schornsteinresten und beseitigte fast zwei Jahre lang die Einsturzgefahren. Denn hierher kamen auch unsere Aufseher nicht. Das ging gut, bis mein einziger Freund Lothar vor meinen Augen in die Tiefe stürzte.

 

Ich stand am Abgrund der Menschheitsgeschichte und das Trauma machte mich stumm. Eine Stummheit, die noch Jahrzehnte in die Zeit nach der Befreiung hineinreichen sollte. Unter den sechs Millionen ermordeten Juden waren eineinhalb Millionen Kinder. Eineinhalb Millionen Kinder – damit Ihnen diese Zahl vielleicht etwas vorstellbarer wird, gehen Sie bitte mit mir durch die Kindergedenkstätte in Yad Vashem. Still ist es um uns. Wir hören im Hintergrund die Namen der ermordeten Kinder, ihr Alter und ihre Herkunftsländer. Dieses Endlosband läuft 24 Stunden am Tag und es vergehen drei Monate, bis ein Name wiederholt wird.

 

Wie durch ein Wunder kam ich also mit dem Leben davon. Ende April 1945 wurden wir durch die Rote Armee in Berlin befreit, und am 8. Mai wurde die bedingungslose Kapitulation unterschrieben.

 

Frieden! So stand ich dann, befreit und ohne Geld, von Gott verlassen und ihn schmähend, in den zerbombten Straßen Berlins, 17 Jahre alt, abgerissen in der Kleidung und unterernährt, ausgepowert und krank durch die jahrelange schwerste Zwangsarbeit und Mangelernährung, extrem traumatisiert durch die stündliche Angst vor der eigenen Vernichtung, ohne meine ermordete Großfamilie, die Liebste von mir gerissen und vergast, ohne meinen einzigen letzten Freund Lothar, ohne Schulabschluss und ohne Berufsausbildung, viereinhalb Millionen Glaubensgenossen und deren eineinhalb Millionen Kinder erschlagen, erschossen, zu Tode gequält, verbrannt, verhungert, erfroren, geschlachtet und durch Folter ermordet, umgekommen durch die Hände deutscher Mörder und ihrer Helfer aus anderen Völkern. So wuchs in mir ein Panzer aus Narben an Leib und Seele, der immer dichter und horniger wurde. Ein neues Leben sollte beginnen. Aber wie?

 

Und da geschah in der Nacht vom 8. zum 9. Mai in diesem verwüsteten und zerbombten Deutschland wieder ein großes Wunder: Aus den übelsten faschistischen Verbrechern und Mördern von gestern wurden über Nacht die bravsten Demokraten – und alle, alle, alle haben von nichts gewusst. Die Mörder waren unter uns.

 

Unmittelbar nach Kriegsende entstanden die ersten Auffanglager für ehemalige Zwangsverschleppte und KZ-Überlebende, die später als „DP- Lager“ bezeichnet wurden. Ich fühlte mich ihnen zugehörig und teilte ihre Unterkünfte, zunächst in Berlin-Schlachtensee, später in Landsberg am Lech. Die deutsche Sprache war bei uns verpönt. Wir unterhielten uns auf Jiddisch und radebrechten in vielen Sprachen. Während wir noch darüber nachdachten, wie wir unser Leben gestalten sollten, boomte in Westdeutschland schon das Wirtschaftswunder.

 

Die Deutschen waren wieder wer! Wen interessierten jetzt noch die ermordeten Juden von Auschwitz, wen der verlorene Krieg? Die Deutschen waren wieder wer, und sie wurden wieder gebraucht im beginnenden Kalten Krieg gegen die rote Gefahr. Und der erste Kanzler der Bundesrepublik, Konrad Adenauer, erklärte: „Durch die Denazifizierung ist viel Unglück und Unheil angerichtet worden“, und er forderte unverhohlen ein Ende der „Nazischnüffelei“ und bereitete mit seinem Staatssekretär Hans Globke, dem Kommentator der Nürnberger Rassegesetze, diverse Amnestiegesetze vor, die der Rückkehr der Protagonisten des faschistischen Regimes den Weg bereiteten.

 

Die Restauration setzte vehement ein. Der Wahlkampf um den ersten Bundestag hatte begonnen. Die Bundesregierung weigert sich bis heute, darüber Auskunft zu geben, wie viele ehemalige NSDAP-, SA-, SS-Mitglieder und Gestapobeamte im ersten Bundestag saßen.

 

Und dann kamen Bataillone der 131-er, das waren die minder belasteten NS-Täter. Sie überschwemmten die Ministerien, die Verwaltungen und die Wirtschaft. Das betraf über eine halbe Million Mitmacher und Mitläufer in der NS-Zeit, jeder war ein Rädchen in der Mordmaschinerie der Nazis gewesen, darunter Zehntausende, die erheblich belastet waren. Und sie schleppten ihre Ideologie und ihr Gedankengut mit ein.

 

So baute undemokratisches, ja sogar antidemokratisches Personal eine Demokratie auf, eine Demokratie, die ganz langsam und schleichend sich braun verfärbte. Und ihre Seilschaften sorgten dafür, dass Zigtausende ihrer gerechten Strafe entgingen. So ist es kein Wunder, dass diese Demokratie auf dem rechten Auge erblindete. Denn das Ergebnis war: Die Zahl der damaligen Politiker und Manager der Wirtschaft mit NS-Vergangenheit war erschreckend. Fritz Bauer, der Generalstaatsanwalt in Hessen, war auch in seiner Behörde umgeben von NS-Juristen. Von ihm stammt der Ausspruch: „Wenn ich mein Arbeitszimmer verlasse, befinde ich mich im feindlichen Ausland.“

 

Und dennoch hätte ich mir nie, niemals mehr, vorstellen können, dass auf deutschen Straßen fast 70 Jahre später, anno 2014, antisemitische Demonstrationen der übelsten Art stattfinden und dabei skandiert werden könnte: „Jude, Jude, feiges Schwein, komm heraus und kämpf allein!“ – Oder: „Scheiß Juden, wir kriegen Euch!“ und – man hört es, aber glaubt es kaum – „Hamas, Hamas, Juden ins Gas!“ Dass so etwas möglich wurde, hängt eng mit diesen Nachkriegsgeschichten zusammen.

 

Der Historiker und Journalist Malte Herwig fand heraus, dass bis 1964 allein 26 Bundesminister und ein Bundeskanzler Mitglieder der NSDAP oder einer ihrer Gliederungen waren. Im höheren Dienst des Auswärtigen Amtes waren 1952 noch 34 % ehemalige NSDAP-Mitglieder. Bis zum 31. März 1955 waren 77,4 % der Beschäftigten im Verteidigungsministerium NS-belastet, im Wirtschaftsministerium 68,3 % und beim Presse- und Informationsamt der Bundesregierung 58,1 %.

 

Jan Korte schreibt in seinem Buch „Instrument Antikommunismus – der Sonderfall Bundesrepublik“: „Die Antwort illustriert die unübersehbare Präsenz ehemaliger nationalsozialistischer Funktions-Eliten in den Ministerien und Sicherheitsbehörden der frühen Bundesrepublik. Dieses durch den Kalten Krieg begünstigte Ausmaß kann man im Rückblick nur als eine beispiellose moralische Katastrophe bezeichnen.“

 

Alles in allem: Das war nicht meine Vorstellung von einem neuen deutschen Rechtsstaat. Diese erschreckende Entwicklung bewog mich, in die entstehende DDR zu gehen, dessen proklamiertes Ziel der Aufbau einer antifaschistisch-demokratischen Ordnung war. Das war, nach allem, was ich erlebt hatte, auch mein Wunsch. Und so krempelte ich die Hemdsärmel hoch und begann ein neues Leben.

 

Seit vielen Jahren bemühe ich mich, meinen gesellschaftlichen Verpflichtungen nachzukommen. Das bin ich meinen ermordeten Familienangehörigen und den sechs Millionen getöteten Juden schuldig. Durch mein Leben habe ich gelernt: Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen!

 

Als einer der wenigen jüdischen Überlebenden gehe ich in Schulen und Organisationen und berichte als Zeitzeuge aus meinem Leben. Ich bin Mitbegründer eines jüdischen Selbsthilfevereins mit dem Namen „Child Survivors Deutschland – Überlebende Kinder der Shoah“, dessen Vorsitzender ich lange Jahre war und dessen Ehrenvorsitzender ich heute noch bin. Wir treffen uns regelmäßig und helfen uns gegenseitig.

 

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kameradinnen und Kameraden, liebe Freunde, lassen Sie mich, anlässlich des Auschwitz-Gedenktages, mit einem Gedicht der KZ-Überlebenden Gerti Spieß schließen, ein Gedicht, das im KZ Theresienstadt entstanden ist:

„Was ist des Unschuldigen Schuld? Wo beginnt sie? Sie beginnt da, wo er gelassen, mit hängenden Armen, Schulter zuckend daneben steht, den Mantel zuknöpft, die Zigarette anzündet und spricht: ‚Da kann man nichts machen.‘ Seht, da beginnt des Unschuldigen Schuld.“

 

 

Herzlichen Dank, dass ich zu Ihnen sprechen durfte.