Was uns bewegt
29. Oktober 2013
Politische Erklärung der Berliner VVN-BdA.
Beschlossen auf der Delegiertenversammlung am 26. Oktober 2013
Was uns bewegt – Ziele und Aufgaben der Berliner VVN-BdA

Michael Landmann eröffnet die Landesdelegiertenversammlung 2013 im Anton-Schmaus-Haus der Neuköllner Falken
Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) ist mit ihren über 800 Mitgliedern die größte antifaschistische Organisation in Berlin. Ihre Gründungsmitglieder überlebten Zuchthäuser, Gettos, Konzentrations- und Vernichtungslager, das Exil in vielen Ländern, waren oder sind Angehörige von ermordeten oder an den Folgen der Haft verstorbenen Verfolgten des Naziregimes. In seinen Zielen und seinem Handeln lässt sich unser Verband, in dem Antifaschisten von vier Generationen organisiert sind, von dem Vermächtnis der Gründungsgeneration „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ leiten.
Deshalb treten wir dafür ein, politische und ethnische Konflikte im 21. Jahrhundert mit friedlichen Mitteln zu lösen und die Rüstungsexporte endgültig zu stoppen.
Geschichte wird gemacht
Geschichtsbewusstsein benötigt das Wissen um das Geschehene und den vergleichenden Blick auf das heute. Wir werden verstärkt das Gespräch mit Jugendlichen suchen, die Vermittlung der Geschichte von Widerstand und Verfolgung mit ihren Fragen und Erfahrungen verbinden, den Bogen von oder zu den rassistischen Vorurteile und Verhaltensweisen, der ablehnenden Haltung gegenüber Flüchtlingen und anderen aktuellen Fragen herstellen. Berlin war von 1933 bis 1945 nicht nur die Zentrale des faschistischen Terrors sondern auch ein Zentrum des vielfältigen antifaschistischen Widerstands gewesen. Tausende Regimegegner vor allem aus der Arbeiterbewegung, aber auch aus den Kirchen, von Juden, dem Militär, aus liberalen und konservativen Kreisen zeigten in ihrem mutigen und opferreichen Aufbegehren, dass die Gegner im Inneren aktiv und Widerstand zur Überwindung des Naziregimes möglich und notwendig war.
In unserer weiteren Arbeit
– initiieren wir weitere Stolpersteine für Frauen und Männer aus dem Berliner Widerstand und bemühen uns, Paten aus Schulen zu gewinnen,
– unterbreiten wir Schulen und Jugendeinrichtungen Projekte zu Widerstand und Verfolgung und bauen Kontakte zu LehrerInnen und MultiplikatorInnen auf.
– schaffen wir ein Beispiel grenzüberschreitender Zusammenarbeit mit der im Aufbau befindlichen europäischen Gedenkstätte für das KZ und Zuchthaus Sonnenburg in der polnischen Gemeinde Słońsk .
Wir treten dafür ein, auf dem Tempelhofer Feld eine Gedenkstätte zu errichten, die an das große Konzentrationslager Columbiahaus und die Zwangsarbeiterlager, die militärische Mobilmachung für den Zweiten Weltkrieg, die Dimension der Rüstungsindustrie und die Propaganda für das „Dritte Reich“ und vor allem auch die Opfer sichtbar werden lässt. Wir erwarten, dass der Berliner Senat den bisherigen Namen „Tempelhofer Freiheit“ für die künftige Nutzung des Tempelhofer Feldes zurücknimmt. Dieser Begriff blendet die NS-Geschichte aus und verhöhnt die Opfer des Naziregimes.
Kein Platz für Nazis und Rassisten
Die Erinnerung an Widerstand und Verfolgung wachzuhalten steht in engem Zusammenhang mit den aktuellen Herausforderungen, der Auseinandersetzung mit Faschismus, Rassismus, Antisemitismus und Neonazismus in der Gesellschaft, ein Thema, das in dem Wahlen für den Bundestag weitgehend ausgeblendet war.
Unsere Vereinigung beteiligt sich an den lautstarken Protesten gegen Nazis und Rassisten. Die VVN-BdA fordert seit 40 Jahren ein Verbot der neonazistischen NPD. Ein Verbot der NPD wäre nach der rassistischen Mord- und Anschlagsserie ein starkes Signal zur Ächtung von Nazismus, Rassismus, Antisemitismus und Rechtspopulismus in Deutschland. Damit entfiele auch die staatliche Alimentierung von nationalsozialistischem Gedankengut. Langfristig sollten antirassistische und antifaschistische Initiativen in ihrer ehrenamtlichen Arbeit unterstützt werden.
Unsere Solidarität gilt den Opfern von institutionellem und alltäglichem Rassismus. Wir verlangen die umgehende Aufklärung des „Versagens“ von Politik und Sicherheitsbehörden bei den NSU-Morden sowie Transparenz bei der Zusammenarbeit von Verfassungsschutzbehörden mit den Nazi-Organisationen und die Abschaltung der V-Leute.
Mitglieder unseres Verbandes erlebten nach 1933 im Exil institutionelle Ausgrenzung und solidarische Unterstützung vieler Menschen. Sie halfen ihnen in schwierigsten Zeiten zu überleben. Auch aufgrund dieser Erfahrungen treten wir für die Aufnahme aller Flüchtlinge ein und unterstützen ihre Forderungen nach Abschaffung von Residenzpflicht und Abschiebung, der Teilhabe an allen sozialen und demokratischen Rechten. Berlin sollte hierfür Initiativen im Bundesrat und die Berliner Abgeordneten im Bundestag ergreifen.
In den vergangenen Jahren hat es in Berlin immer wieder Versuche gegeben, im politischen Raum zwischen dem rechten Rand des bürgerlichen konservativ-liberalen Lagers und dem Neonazismus neue rassistische und autoritäre Parteien und Sammlungsbewegungen zu etablieren. Nicht nur zu Wahlkampfzeiten tragen derartige Formationen wie etwa die rechtspopulistische Partei „Pro Deutschland“ dazu bei, das Klima Berlins durch ihre Agitation zu vergiften, die sich häufig gegen Muslime, aber auch gegen Linke und sozial Benachteiligte richtet. Die Berliner VVN-BdA wird gemeinsam mit anderen antifaschistischen Kräften weiterhin ihren Teil dazu beitragen, solchen politischen Projekten von Rechtsaußen wie der „Alternative für Deutschland( AfD) “ schon frühzeitig entgegenzutreten und so zu verhindern, dass sie Boden gewinnen können.
Wir haben in den letzten Jahren über 200 neue Mitglieder aufnehmen können. Sie setzen die Arbeit der Gründergeneration fort. Wir versichern den Verfolgten des Naziregimes und ihren Angehörigen unser solidarisches Miteinander. Dafür benötigen wir die Mitwirkung der jüngeren Generationen in der Betreuung, Fürsorge, Zuwendung und Unterstützung für unsere Mitglieder in hohem und höchsten Lebensalter, die nur noch eingeschränkt mobil sind. Es geht um Geburtstage, Besuche, Gespräche, Transporte, um Teilhabe am Leben unserer, von ihnen gegründeten, Organisation. Nicht selten geht es auch darum, die Angehörigen zu unterstützen oder zu entlasten, Tipps für Pflege, Patientenverfügung, Vollmacht, gegebenenfalls auch im Umgang mit Pflegediensten oder Heimleitungen zu geben.