Antifa Jour fixe – Juli 2014

Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn!

– ein Erich-Kästner-Abend

kennst du das landMontag, 21.Juli, 2014, 18.30
Café Sibylle, Karl-Marx-Allee 72, 10243 Berlin

Mit

Frieder Böhne, Jutta Harnisch, Gina Pietsch, Markus Tervooren und Uwe Streibel am Piano

Er kannte es gut, dieses „Land, wo die Kanonen blühn“, der Dichter Erich Kästner. Zwei Weltkriege hatte er miterlebt, deren Vorberei-tungen und Auswirkungen, ein Kaiserreich als Schüler, und das größenwahnsinnige Dritte als ein verbotener, aber daheimgebliebener Schriftsteller. Wie wenig die eine Republik aus dem ersten, die andere aus dem zweiten großen Krieg gelernt hatte, war dem blitzgescheiten und wirklichem Dichter Kästner nicht nur klar, sondern immer Triebkraft, darüber zu schreiben.

Von seinem Freund, und Kollegen Hermann Kesten erfahren wir, dass er in Deutschland bleiben wollte, um Augenzeuge der kommenden Gräuel zu sein, also den Roman der Nazidiktatur zu schreiben. Er stand selbst in der Menge, als seine Bücher auf dem Bebelplatz in den Flammen landeten. Und er ahnte, wenn auch nicht gleich, diesen unausdenkbaren, infernalischen Wahnsinn des Faschismus, den er später nach dem Ansehen der amerikanischen Filme von der Befreiung der KZs sah. Was in den Lagern geschah, ist so fürchterlich, dass man darüber nicht schweigen darf und nicht sprechen kann. Aber freilich schreibt er darüber, anders freilich als früher. Berühmt wurde er mit seinen Gedichten, mit denen er die Bösen und Beschränkten ärgern wollte. Und er hat sie geärgert, Militaristen, Faschisten, Spießer, sogenannte Klassefrauen, Sergeanten und und und. Das immer literarisch, ästhetisch, ohne besondere ideologische oder politische Bindung, und doch mehrfach in Gestapohaft, und lebensgefährlich bedroht. Es reichte eben, dass er ein Moralist sein wollte, sozialreformerisch, aber mit spitzer Zunge, wunderbarem Humor und dem großem Bedürfnis nach zwischenmenschlicher Hilfe, einer, der Sprechbühne und Kabarett eine Unzahl anrührender und witziger Texte schenkte, die Komponisten, Rezitatoren und Sänger anzogen. Zwischen 33 und 45 gibt es wenig davon.

Er, der erst spät Vater wurde, wird d e r Kinderbuchautor, „Emil und die Detektive“ machen ihn weltberühmt, nicht zuletzt eine lebensrettende Maßnahme. Er schreibt für den Film. Und er schreibt Dokumentarisches, Kriegstagebücher zur Vorbereitung des dann doch nicht kommenden großen Romans über Deutschlands beschämendste Zeit.

Danach: Er in München, da ausgebombt in Berlin. Die Zeiten haben sich geändert, aber seine Freude darüber hält sich in Grenzen. Dass er zusammen mit Kollegen wie Ingeborg Bachmann, Peter Weiss, Heinrich Böll erfolgreich  protestiert gegen die Debatte zur Verjährung von Naziverbrechen, war mehr als nötig, denn die alten und neuen Nazis saßen schon wieder an entscheidenden Positionen. Und im Oktober 1965 gab es am Düsseldorfer Rheinufer auch wieder Bücherverbrennungen, organisiert vom Evangelischen Jugendbund für entschiedenes Christentum und gebilligt vom sozialdemokratischen Oberbürgermeister. Und da ist der Vietnamkrieg, gegen den er, wie viele progressive Menschen, bei Ostermärschen protestiert.

Um Erich Kästner wurde sich viel gestritten, und das geht bis heute, nicht über den freundlichen Kinderbuchautor, nach dem über 50 westdeutsche Schulen benannt worden sind, nicht über witzig Erotisches in seinen Gedichten, wohl aber über den scharfsinnigen Kritiker deutscher  Verhältnisse, den Antimilitaristen und Antifaschisten Erich Kästner. Da unterschieden sich schon die Schullesebücher der DDR und der BRD, und gesiegt hat mit ihrer Kästner-Auswahl die Letztere. Also kein „Sergeant Waurich“, kein „Kennst Du das Land, wo die Kanonen blühn“, kein „Marschlied 1945“. Schon deshalb bleibt uns Verpflichtung, ihn zu ehren und nicht nur am 29. Juli 2014, seinem 40. Todestag.

Buch: Gina Pietsch

ANTIFA- Jour Fixe der Berliner VVN-BdA

Immer am 3. Montag des Monats,
Immer um 18.30 Uhr,
Immer im Café Sibylle.