„Alle zusammen gegen Faschismus und gegen Krieg“
5. April 2024
Beschluss der Delegiertenversammlung der Berliner VVN-BdA e. V. am 2. März 2024
Die Delegiertenversammlung der Berliner VVN-BdA trifft sich in der Regel alle zwei Jahre um als höchstes Gremium unserer Vereinigung die Arbeit, Pläne und Leitlinien zu diskutieren und zu beschließen.
„Alle zusammen gegen Faschismus und gegen Krieg“ (Leitantrag)
1. Stoppen wir die AfD, bevor es zu spät ist!
Die AfD ist die größte Gefahr für alle seit 1945 in Deutschland erreichten demokratischen, sozialen und zivilisatorischen Fortschritte. Wenn der Machtzuwachs der AfD nicht gestoppt wird, dann droht eine auf Jahrzehnte wirksame Schwächung aller humanistischen, antifaschistischen und demokra-tischen Kräfte in der Gesellschaft, ja eine Wiederkehr der Schrecken des Faschismus.
Dennoch zeigen sich Teile von CDU, FDP und „freien“ Wähler(*innenvereinigunge)n bereit, die AfD wie eine „normale“ Partei zu behandeln. Bis auf die Linkspartei kommen alle parlamentarisch relevanten Parteien der AfD politisch entgegen, insbesondere bei der gewaltsamen Migrations-abwehr. Einflussreiche rechte Kräfte in der Gesellschaft, zum Beispiel formiert in der „Werte-Union“, liebäugeln längst mit der AfD als machtpolitischer Bündnisoption für einen konservativen Rollback.
Das Vertrauen in irgendwelche Brandmauern der bürgerlichen Demokratie ist gefährlich. Diejenigen, die vom Faschismus bedroht werden, müssen ihn selbst verhindern. Hierzu sind breite Bündnisse bis in die Mitte der Gesellschaft und wirksame, massenhafte Protestaktionen auf der Straße nötig. Hoffnungsvolle Ansätze einer gesellschaftlichen Bewegung in diese Richtung haben die letzten Monate und Wochen gezeigt.
Der VVN-BdA als größter und ältester antifaschistischer Organisation Deutschlands fällt im Kampf gegen die AfD eine wichtige Rolle zu.
– Wir beteiligen uns weiterhin an bisherigen und neuen Initiativen und Bündnissen gegen die AfD in Berlin. Wir unterstützen den Protest gegen Parteizentralen und Veranstaltungen der AfD. Kein Raum der AfD!
– Rund um wichtige Gedenktage wie den 27. Januar und den 9. November erneuern wir unsere Initiative „Kein Gedenken mit der AfD“.
– Wir solidarisieren uns mit allen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die Stellung gegen die routinemäßige, schleichende Normalisierung der AfD beziehen. Für antifaschistische Unhöflichkeit! Kein Händedruck, kein Gruß, kein Fußbreit der AfD!
– Im Wahljahr 2024 vernetzen wir uns stärker mit den VVN-BdA-Strukturen in den östlichen Bundesländern, vor allem mit der benachbarten Landesvereinigung Brandenburg, und unterstützen materiell sowie personell deren Aktivitäten gegen die AfD.
– Wir arbeiten verstärkt mit den vorhandenen Materialien unserer Bundesvereinigung VVN-BdA und des von ihr mitgetragenen Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“, etwa zur Kampagne „Höcke ist ein Nazi“. Zur Europawahl im Juni 2024 bringen wir unser eigenes Material „Keine Rassist*innen in die Parlamente“ in aktualisierter Form neu heraus.
– Wir unterstützen Maßnahmen, um ein Verbot der AfD oder einzelner Landesverbände der AfD und einen Ausschluss der AfD aus der staatlichen Parteienfinanzierung auf den Weg zu verbringen. Des Weiteren drängen wir auf juristische Schritte gegen offen nazistisch agierende Führungsper-sonen der AfD wie Höcke.
– Wir vergessen nie: Antifaschismus ist mehr als der Kampf gegen die AfD! Wir behalten andere neofaschistische Formationen wie „Der III. Weg“ und sogenannte Reichsbürger ebenso im Blick wie extrem rechte Netzwerke und Personen in den Sicherheitsbehörden. Wir solidarisieren uns mit Antifaschist*innen, die Opfer politischer Gesinnungsjustiz werden und treiben die parlamentarische wie außerparlamentarische Aufarbeitung und Aufklärung des rechten Terrors voran.
2. Grenzenlose Solidarität – für eine an internationalen Rechtsabkommen und den Menschenrechten orientierte Asyl- und Einwanderungspolitik – Rassismus bekämpfen!
Die VVN war bei ihrer Gründung auch eine Organisation von Menschen, die Flucht und Exil überlebt hatten, die Trennung und Verlust von Familie und Freund*innen sowie unmenschliche Behördenpraxis nur zu gut kannten. Die Hilfe für politisch Verfolgte ist und bleibt einer der gemeinnützigen Zwecke unserer Vereinigung.
Das im Grundgesetz verankerte Recht auf Asyl, eine Konsequenz aus der historischen Erfahrung des Faschismus, ist schon fast vollständig demontiert. Jetzt verschärft ein Parteienbündnis von ganz rechts bis Mitte-Links, getragen von einer Stimmung in weiten Teilen der Gesellschaft, die europäische Migrationsabwehr weiter. Die politische Einigung der EU-Mitgliedsstaaten zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) führt zu noch massiveren Menschenrechts-verletzungen an den europäischen Grenzen und entlang der Migrationsrouten.
Eine unserer Aufgaben ist daher, selbstorganisierte Initiativen von Geflüchteten und Organisationen, die Solidarität mit Geflüchteten leisten, zu unterstützen und diese immer wieder gezielt zu unseren Veranstaltungen und Aktionen einzuladen.
Wir fordern die Gewährung legaler und sicherer Einwanderungsmöglichkeiten sowie erweiterte soziale, politische, wirtschaftliche und kulturelle Teilhabemöglichkeiten für Migrant*innen und deren Nachkommen. Flucht- und Migrationsursachen wie ungleiche Wirtschaftsbeziehungen, deutsche Waffenexporte und andere Unterstützungsmaßnahmen für autoritäre und kriegführende Regimes, etwa das türkische, sowie die maßgeblich von Industrieländern wie Deutschland verursachte Umweltzerstörung müssen verstärkt in die öffentliche Debatte eingebracht werden.
– Die GEAS-Pläne sind noch nicht umgesetzt. Wir unterstützen Pro Asyl und lokale solidarische Initiativen in Berlin bei den kommenden Protesten.
– Ein zentraler Baustein der Berliner Abschiebepraxis ist der „Ausreisegewahrsam“ und das sogenannte Flughafenasylverfahren am Flughafen BER. Wir unterstützen die Proteste und Aktionen des Berliner Flüchtlingsrats und antirassistischer Initiativen dagegen.
– Kurd*innen aus der Türkei suchen Schutz in Deutschland meist vergebens. Diese Asylverweigerungspraxis muss dringend geändert werden.
– Wir fordern die Aufhebung des PKK-Verbots und das Ende der Kriminalisierung fortschrittlicher türkischer Initiativen in der Türkei und hierzulande.
– Wir unterstützen in Berlin ansässige Ableger von Initiativen zur zivilen Seenotrettung, die gegen das Sterben im Mittelmeer kämpfen.
3. Der 8. Mai – Tag der Befreiung – muss endlich Feiertag werden!
In Berlin soll der 8. Mai 2025, der 80. Jahrestag der Befreiung vom Nazismus, nur einmalig als gesetzlicher, arbeitsfreier Feiertag begangen werden. Das ist uns natürlich zu wenig! Für die Überlebenden der faschistischen Lager und Kerker, für die aus Verstecken und aus dem Exil Zurückgekehrten, für alle Nazigegner*innen in Europa war der 8. Mai 1945 trotz der Trauer um die von den Nazis Ermordeten und Gequälten ein Tag der Freude und Hoffnung. „Das Morgenrot der Menschheit“ – so nannte Peter Gingold, deutscher Jude, Kommunist und Résistance-Kämpfer, diesen Tag.
In einigen Bundesländern ist der 8. Mai als Gedenktag eingeführt. In Berlin war der 8. Mai 2020 als 75. Jahrestag der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht einmalig ein gesetzlicher Feiertag. In einigen europäischen Nachbarländern ist der 8. Mai bereits als gesetzlicher Feiertag verankert. Diese Beispiele zeigen, dass die Anerkennung des 8. Mai als Feiertag möglich ist.
– Die Berliner VVN-BdA wird gemeinsam mit Verbündeten und einflussreichen Persönlichkeiten ihre bisherigen Bemühungen, den 8. Mai als gesetzlichen Feiertag zu etablieren, in einer Kampagne zum 8. Mai 2025 bündeln und mit einer großen politischen Feier zum vorläufigen Höhepunkt führen. Dabei arbeiten wir mit allen Initiativen innerhalb der VVN-BdA bundesweit, mit dem Bundesjugendring und auch Initiativen in unseren europäischen Nachbarländern, z. B. in Österreich („Fest der Freude“) und Belgien („Koalition 8. Mai“) zusammen.
4. Auch 2024 bis 2026: Kein Schlussstrich unter die Geschichte! Erinnern heute heißt antifaschistisch handeln.
Das Erinnern an die Opfer des Nazismus und den antifaschistischen Widerstand ist weiterhin eine Kernaufgabe der Berliner VVN-BdA und konstituierend für unser Selbstverständnis. Hier wird uns aus der Gesellschaft Kompetenz und Glaubwürdigkeit zugeschrieben; hier können wir stark nach außen wirken.
Doch immer schwieriger wird es, aus der Erfahrung und moralischen Autorität der Überlebenden von Verfolgung und Widerstand im Faschismus, der Gründer*innen unserer Vereinigung, zu schöpfen.
Inzwischen nehmen viele unserer Mitglieder als Nachkommen der zweiten und dritten Generation von Überlebenden die Rolle von Zeug*innen der Zeug*innen ein. Das gilt es zu unterstützen und auszubauen.
– Wir unterstützen die verbliebenen Verfolgten des Naziregimes. Wir führen die Vernetzung, gegenseitige Unterstützung und Aktivierung von Nachkommen der Verfolgten fort.
– Wir unterstützen die Vernetzung von aktiven Einzelpersonen und Gruppen aus der historisch-politischen Bildung und beteiligen uns an dieser.
– Wir setzen unsere geschichtspolitische Reihe „Erinnern heißt antifaschistisch handeln“ auch 2024 und 2025 fort.
– Die Berliner VVN-BdA kümmert sich 2024 um das Gedenken an die 1944 verratene Saefkow-Jacob-Bästlein-Organisation, an den Putsch- und Attentatsversuch gegen Hitler am 20. Juli 1944, an die 1944 befreiten deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager, an die 1944 stattgefundenen Erhebungen von Sinti und Roma und von jüdischen Sonderkommandos in Auschwitz-Birkenau.
– Wir erinnern zusammen mit der Deutsch-Polnischen Gesellschaft an die Einrichtung der ersten KZ-Gedenkstätte in Majdanek bereits im November1944 durch die Polnische Republik, nachdem das KZ im Juli 1944 von der Roten Armee befreit wurde.
– Die Berliner VVN-BdA wird an den 85. Jahrestag des nazistischen Überfalls auf Polen und des Anfangs des Zweiten Weltkriegs am 1. September 2024 erinnern.
– Im Jahr 2025 widmen wir uns geschichtspolitisch auch den zahlreichen „Endphaseverbrechen“ des Nazismus, beginnend mit dem Gestapo-Massaker vom 30./31. Januar 1945 an 819 Häftlingen im Zuchthaus Sonnenburg, heute Słońsk.
– Bei diesen Aktivitäten strebt die Berliner VVN-BdA nach enger Zusammenarbeit mit ihren lokalen Untergliederungen, mit korporativen Mitgliedern, etwa der „Berliner Geschichtswerkstatt“, mit den Lagerarbeitsgemeinschaften, mit Verbündeten wie dem Verein „Aktives Museum“, Gedenkstätten, Stolpersteingruppen, bezirklichen Gedenktafel-Kommissionen und mit Initiativen für Gedenkorte (unter anderem bei den ehemaligen nazistischen Lagern KZ Uckermark, KZ-Außenlager Lichterfelde und Stalag III D Lichterfelde).
– Wir setzen uns für die Benennung und Kenntlichmachung nazistischer Täter*innen, ihrer Institutionen und Organisationen ein. Von den heutigen Erb*innen und Rechtsnachfolger*innen fordern wir, ihrer historischen Verantwortung nachzukommen, etwa durch die transparente Aufarbeitung der eigenen Geschichte und die Ermöglichung und Förderung von Gedenkorten und Gedenkaktivitäten.
– Wir setzen uns weiterhin für die Entschädigung noch lebender Opfer des Nazismus und ihrer Nachfahren ein. Dies betrifft Opfer von rassistischer Verfolgung ebenso wie von Wehrmachtsmassakern in besetzten Ländern und von Zwangsarbeit.
– Der Freundeskreis Gedenkort „Alter Anstaltsfriedhof“ in Berlin-Reinickendorf, auf dem zahlreiche Opfer des NS-„Euthanasie“-Programms T4 beerdigt wurden, hat unsere Unterstützung.
– Wir unterstützen weiterhin das Hilfsnetzwerk für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine.
– In den Jahren 2024 und 2025 organisieren wir eine Reihe von Exkursionen zu Gedenkorten und Ausstellungen sowie Stadtführungen in Berlin und Brandenburg als Angebot für Mitglieder unserer Vereinigung und andere Interessierte, insbesondere jüngere.
5. Gegen Antisemitismus und Kriegshetze, für die Beachtung humanitärer sowie völkerrechtlicher Normen und eine Friedensperspektive im israelisch-palästinensischen Konflikt
Seit dem antisemitischen Massaker und der Verschleppung israelischer Geiseln durch die Hamas und ihrer Verbündeten in Israel am 7. Oktober 2023 ist es weltweit und auch in Berlin zu Bedrohungen und Angriffen auf jüdische Menschen und Einrichtungen gekommen. Die Berliner VVN-BdA steht an der Seite der Betroffenen. Jüdische Menschen für die kriegerische Reaktion Israels auf den Angriff der Hamas verantwortlich zu machen, ist antisemitisch.
Für die Berliner VVN-BdA ist das Verhältnis zu Israel in erster Linie davon bestimmt, dass dort eine große Zahl von Überlebenden des Holocaust und deren Nachkommen leben. Israel war und ist Zufluchtsort für jüdische Menschen aus aller Welt. Wer wie die Hamas und ihre Verbündeten diese grundsätzliche Konsequenz nach dem Holocaust infrage stellt und alle jüdischen Israelis zu Terror-Zielen erklärt, kann für uns kein Bündnispartner sein.
– Die Berliner VVN-BdA erkennt das Recht Israels auf Selbstverteidigung an. Gleichzeitig hat Israel wie alle Staaten die Verpflichtung, völkerrechtliche und humanitäre Standards einzuhalten und eine humanitäre Katastrophe zu verhindern, was unter anderem die Ermöglichung sicherer Fluchtwege und des Zugangs zu Wasser, Nahrung und medizinischer Versorgung für die Zivilbevölkerung in Gaza umfasst.
– Wir verurteilen alle Bestrebungen rechter und rechtsextremer Kräfte in Israel nach Annexion palästinensischer Gebiete und Vertreibung palästinensischer Bevölkerungsteile.
– Wir verurteilen die Politik Israels hinsichtlich der gegen Völkerrecht und israelisches Recht verstoßenden Siedlungen im Westjordanland und der dortigen menschen- und völkerrechtswidrigen Besatzungspraxis. Die Siedlungs- und Besatzungspolitik und die mit ihrer verbundenen Entrechtung, Enteignung und Vertreibung palästinensischer Einwohner*innen stehen einer Konfliktlösung im Sinne von Frieden, Sicherheit und Gleichberechtigung für alle Bevölkerungsgruppen der Region entgegen.
– Die Berliner VVN-BdA bekräftigt ihre Unterstützung für die Kräfte der Demokratie und des Friedens auf israelischer und palästinensischer Seite, die für Verhandlungen und eine Konfliktlösung auf der Grundlage des Völkerrechts eintreten. Wir suchen weiterhin Kontakt und Zusammenarbeit mit zivilgesellschaftlichen Friedens- und Versöhnungsinitiativen, etwa dem „Parents’ Circle – Families Forum“, dem „New Israel Fund“ und „Standing Together“.
– Die Berliner VVN-BdA nimmt die interne Diskussion zu Antisemitismus in Deutschland und unterschiedlichen Antisemitismusdefinitionen wieder auf, unter anderem in Form einer Mitglieder-konferenz zu diesem Thema.
6. Kampf gegen Krieg, Aufrüstung und Militarisierung
– Wir setzen uns gegen die Aufrüstung Deutschlands, gegen die 2022 von der Regierung ausgeru-fene „Zeitenwende“ hin zu Militarisierung von Gesellschaft und Außenpolitik sowie gegen jede Form neuer deutscher Großmachtpolitik ein. Statt für Rüstung müssen Mittel für dringende zivile, vor allem soziale und ökologische, Aufgaben eingesetzt werden.
– Wir lehnen die Wiedereinführung der Wehrpflicht oder anderer Zwangsdienste ebenso ab wie Werbung fürs Militär an Schulen, in Job-Centern und anderen öffentlichen Einrichtungen, im öffentlichen Raum und in Massenmedien einschließlich des Internets. Die Berliner VVN-BdA unterstützt die Kampagne „Unter 18 nie!“ (https://unter18nie.de/).
– Wir lehnen jeglichen Nationalismus und Militarismus sowie jegliche Angriffs- und Eroberungs-kriege ab. Wir lehnen jede Waffenlieferung in Kriegs- und Krisengebiete ab.
– Wir kämpfen für allgemeine und allseitige Abrüstung, insbesondere von Massenvernichtungs-waffen. Wir sind gegen jede weitere Stationierung von Massenvernichtungswaffen in Deutschland und fordern den Abzug der bereits jetzt in Deutschland vorhandenen. Wir fordern die Unterzeich-nung und Ratifizierung des internationalen Atomwaffenverbotsvertrags (TPNW) durch die Bundes-republik Deutschland.
– Anstelle von neuem Wettrüsten und militarisierter Blockkonfrontation fordern wir Verhandlungs-initiativen in Richtung auf ein europäisches und globales System der kollektiven Sicherheit im Geiste der 1990 verabschiedeten Charta von Paris.
– Im Sinne der obigen Forderungen streben wir nach friedenspolitischen Bündnissen mit relevanten gesellschaftlichen Kräften, beispielsweise Gewerkschaften und der Umwelt- und Klimaschutz-bewegung.
7. Stoppt das Töten in der Ukraine – für Waffenstillstand und Verhandlungen!
In der Berliner VVN-BdA gibt es unterschiedliche Positionen zum russischen Krieg gegen die Ukraine und zur Gestaltung unseres antimilitaristischen und friedenspolitischen Engagements. Wir streben die sachliche interne Diskussion strittiger Fragen und die Entwicklung von politischen Forderungen an, die innerhalb der Vereinigung weit überwiegend geteilt und in Bündnissen verfolgt werden können.
Unsere Solidarität gilt der vor allem in der Ukraine unter dem Krieg leidenden Bevölkerung, den Geflüchteten und den zwangsrekrutierten Soldat*innen auf beiden Seiten.
– Die Berliner VVN-BdA streitet im Bündnis mit anderen zivilgesellschaftlichen Kräften weiter für diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges.
– Wir werden friedenspolitischen Themen und Forderungen auf unseren Veranstaltungen anlässlich des Tages der Befreiung und des Tages des Sieges (8./9. Mai), anlässlich des Jahrestages des nazistischen Überfalls auf Polen 1939 (Weltfriedens- und Antikriegstag 1. September) und des Tages der Mahnung, Erinnerung und Begegnung (ehemaliger OdF-Tag am zweiten Sonntag im September) breiten Raum geben.
– Die Berliner VVN-BdA unterstützt die u. a. von DFG-VK, Pro Asyl und den Naturfreunden Deutschland getragene „Object War Campaign“ für Schutz und Asyl von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren aus Russland, Belarus und der Ukraine, in denen das Recht auf Kriegsdienst-verweigerung außer Kraft gesetzt ist. Die Berliner VVN-BdA sieht das Recht auf Kriegsdienst-verweigerung als Menschenrecht an und fordert von der Bundesregierung und der Berliner Landesregierung, den Betroffenen Asyl zu gewähren und darauf hinzuwirken, dass deren Verfolgung gestoppt wird. Dies ist umso dringender, als der Druck der ukrainischen und russischen Regierung auf andere Staaten größer wird, Schutzsuchende auszuliefern.
Die Berliner VVN-BdA ruft zur Unterstützung der entsprechenden Petition auf (https://objectwarcampaign.org).
8. „Nie wieder Krieg!“ und „Nie wieder Faschismus!“ gehören zusammen! Die „Tür nach rechts“ muss geschlossen bleiben!
In einer Zeit der gesellschaftlichen Dammbrüche gegenüber der extremen Rechten ist es Aufgabe der VVN-BdA, den Antifaschismus mit der Friedenspolitik zu verbinden. Dazu gehört das Auf-zeigen, welche Positionen extrem Rechte heute einnehmen und wo sich ihnen Anschlussmöglich-keiten bieten. Deshalb setzt sich die Berliner VVN-BdA gegen Rechtsoffenheit in friedenspoliti-schen Bündnissen ein. Wir kritisieren, wo andere schweigen oder über Widersprüche hinweggehen. Wir distanzieren uns, wo nötig, von Aktionen und Kundgebungen, wenn diese rechtsoffen gestaltet werden. Das ist einer unserer Beiträge zum Kampf gegen Krieg und Militarisierung.
– Die Berliner VVN-BdA führt die interne Diskussion zu friedens- und bündnispolitischen Fragen sachlich weiter und ruft auch alle Bündnispartner*innen dazu auf.
– Wir verweigern uns jeglichen Bestrebungen und Überlegungen zur Kooperation mit Kräften der extremen Rechten wie AfD, Compact-Magazin, „Reichsbürgern“ und anderen in der Friedensfrage.
– Wir fordern, Gruppierungen mit verschwörungsideologischem, rechtem und rechtsoffenem Charakter wie „Bündnis für Frieden Berlin“, „Querdenken“ und „Die Basis“ nicht in friedens-politische oder andere Bündnisse einzubinden sowie deren Führungspersonen, Parolen, Inhalten und Symbolen keinen Raum auf Veranstaltungen und Versammlungen zu geben.
9. Solidarität mit den Bewegungen für die Gleichberechtigung von Frauen und von Homo-, Bi-, Inter-, Trans- und Asexuellen sowie queeren und nicht geschlechtlich binären Menschen (LGBTIQA*-Bewegungen)!
Feministische und LGBTIQA*-Bewegungen ziehen weltweit den Hass von Rechten und Autoritären auf sich, auch den der AfD und anderer Rechtsextremer in Deutschland. Feministische, queere und insbesondere Trans-Menschen sowie Menschen, die als solche wahrgenommen werden, werden in erheblichem Maße bedroht und gewaltsam angegriffen – auch in Berlin. In vielen Ländern der Welt erleiden Personen aus den genannten Gruppen erhebliche Menschen- und Bürger*innenrechtsverletzungen durch staatliche Repression und rechten, oft religiös motivierten Terror.
– Die Berliner VVN-BdA strebt ihre Entwicklung zu einer Vereinigung an, die der Vielfalt von geschlechtlichen Identitäten und Orientierungen Rechnung trägt.
– Die Berliner VVN-BdA wird der mittlerweile zentralen Bedeutung von Antifeminismus und LGBTIQA*-Feindlichkeit für die heutige extreme Rechte im Rahmen von Veröffentlichungen und Veranstaltungen Rechnung tragen.
– Die Berliner VVN-BdA strebt die paritätische Besetzung aller Gremien, Funktionen und Positionen nach Gender-Kriterien an.
– Die Berliner VVN-BdA verurteilt jede Diffamierung und Kriminalisierung von feministischen und LGBTIQA*-Bewegungen, etwa das staatlich erlassene Verbot der „internationalen LGBT-Bewegung“ vom November 2023 in Russland.
10. Antifaschismus und Kampf für Umwelt- und Klimaschutz sowie Klimagerechtigkeit gehören zusammen!
Unser Ziel einer „neuen Welt des Friedens und der Freiheit“ kann nicht erreicht werden ohne Umwelt- und Klimaschutz sowie Klimagerechtigkeit. Der Kampf um Demokratie, Frieden und soziale Teilhabe ist unlöslich mit den ökologischen Schicksalsfragen der Menschheit verbunden.
Für die extreme Rechte weltweit ist die aggressive Abwehr jeglichen ökologischen Wandels längst zu einem zentralen Agitationsthema geworden, was etwa Klimawandelleugnung und sozialdar-winistisch-rassistische Konzepte für Bevölkerungs- und Migrationspolitik umfasst.
Die extreme Rechte kann diesbezüglich auch in Deutschland an gesellschaftlich weit verbreitete Stimmungen und Interessen wichtiger Kapitalfraktionen anknüpfen. Ein Ausdruck dieses autoritären und reaktionären Potenzials ist die mediale und politische Stimmungsmache gegen Klimaschutzaktivist*innen.
Wir teilen die Ansicht, dass es verstärkten gesellschaftlichen Drucks von unten bedarf, um die seit Jahrzehnten bewusst betriebene Umweltzerstörung sozial gerecht zu beenden. Wir wenden uns gegen die Diffamierung und Kriminalisierung der Klimaschutzbewegung und gegen den dadurch vorangetriebenen Demokratie- und Bürgerrechtsabbau. Wir begrüßen das insbesondere in letzter Zeit verstärkte Engagement wichtiger Teile der Klimaschutzbewegung gegen die AfD. In der Verknüpfung ökologischer und antifaschistischer Kämpfe durch eine junge Generation politisch aktiver Menschen liegt ein wichtiges Potenzial zukünftigen gesellschaftlichen Fortschritts.
11. Für mehr interne inhaltliche Diskussionen und ein klares Auftreten nach außen!
Wir sind eine strömungs-, partei- und generationsübergreifende Bündnisorganisation mit einer breiten Vielfalt von Meinungen unter dem Dach des Antifaschismus. Das war der Gründungskonsens der VVN und immer eine unserer Stärken, aber immer auch sehr anspruchsvoll.
Nun hat sich unsere Mitgliederschaft verändert, ist zahlreicher und jünger geworden. Unsere Gründungsmitglieder und die Überlebenden von Verfolgung und Widerstand sind leider zum übergroßen Teil verstorben. Früher kannten sich die Mitglieder der einzelnen Gliederungen meist persönlich, heute, durch Generationswechsel und erfreulichen Mitgliederzuwachs, nicht mehr.
Unterschiedliche politische Sozialisierungen, Kulturen und Auffassungen von Antifaschismus treffen oft hart aufeinander. Daher ist es dringend notwendig, unsere demokratischen Meinungsbildungs- und Verständigungsprozesse zu stärken.
– Wir müssen unsere Gremien, etwa die für alle Mitglieder offenen monatlichen Sitzungen des erweiterten Vorstands, stärker für Diskussion und Entscheidungsfindung nutzen.
– Die Berliner VVN-BdA führt in unregelmäßigen Abständen Mitgliederkonferenzen durch, um der Diskussion wichtiger, aktueller, innerhalb der Vereinigung möglicherweise strittiger Fragen mehr Raum zu geben und möglichst vielen Mitgliedern eine Beteiligung zu ermöglichen.
– Die Zeitung „Unser Blatt“ (UB) der Berliner VVN-BdA wird vermehrt zur Debatte über wichtige und innerhalb der Vereinigung strittiger Fragen genutzt, wobei die UB-Redaktion unabhängig bleibt.
12. Für Erneuerung der Strukturen der Berliner VVN-BdA und mehr Mitgliederbeteiligung!
Zu viele Mitglieder können in den Bezirksvereinigungen und Basisorganisationen nicht angebunden und aktiviert werden. Bei manchen Untergliederungen wird nicht einmal ein Zehntel der Mitglieder durch Mitgliederversammlungen erreicht. Wir wissen zu wenig über die Meinungen, Interessen und Bedürfnisse gerade derjenigen Mitglieder, die erst in den letzten Jahren eingetreten sind.
– Die Berliner VVN-BdA führt 2024 oder 2025 eine Befragung zu Interessen und Wünschen der Mitglieder durch und orientiert sich dabei an vorhandenen Erfahrungen mit ähnlichen Maßnahmen bei ihren Untergliederungen und in anderen Landesverbänden der VVN-BdA.
– Die Berliner VVN-BdA probiert verstärkt Formate wie themen- und anlassbezogene Arbeits-gruppen, Stammtische, Messenger-Gruppen und Mitgliederkonferenzen aus.
– Die Berliner VVN-BdA ergreift geeignete Maßnahmen, um Beteiligungsmöglichkeiten und organisatorische Strukturen für alle Mitglieder, insbesondere Neumitglieder, transparent zu machen.
Beschlossen auf der Delegiertenversammlung der Berliner VVN-BdA e. V. am 2. März 2024