Klaus Baltruschat (27.7.1934 – 4.7.2025) | Ein Nachruf

23. Juli 2025

Wir haben den Beitrag von der VVN-BdA Köpenick e.V. übernommen.

Käthe und Klaus Baltruschat (Quelle: Frank Jansen)

Er war Handballtrainer, Buchhändler, Historiker, Fotograf, Ehemann, Vater und Großvater, Antifaschist und Sozialist. Klaus Baltruschat war so vieles. Und er war überall. Noch am 8. Mai war er bei der Kundgebung zur Befreiung dabei, am 21. Juni beim Gedenken an die Opfer der „Köpenicker Blutwoche“ an der „Faust“.

Geboren wurde Klaus Baltruschat in Berlin-Spandau als Sohn eines Tischlers inmitten der Zeit des NS-Regimes am 27. Juli 1934. Klaus war Berliner durch und durch. Nach dem Krieg lebte er in Siemensstadt, damals der Westsektor Berlins, und machte das Abitur in einer Aufbauklasse für Arbeiterkinder. In Spandau wurde er in einer Gruppe der Freien Deutschen Jugend (FDJ) aktiv, wo er auch seine spätere Ehefrau Käthe kennenlernte. Im Jahr 1950 siedelte er mit seiner Familie in den Ostteil der nun schon geteilten Stadt und wurde Mitglied der Sozialistischen Einheitspartei, der SED. Nicht dabei war seine nur wenige Wochen ältere Freundin Käthe, die erst 1957 nach Ost-Berlin umziehen sollte. Die beiden heirateten und zogen gemeinsam drei Kinder groß. In der DDR studierte Klaus Geschichtswissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin, wo er auch eine Promotion erfolgreich abschloss. Später war Klaus im Staatssekretariat für Hoch- und Fachschulwesen beschäftigt, wo er in den 1960er Jahren unter anderem für die Unterstützung der Hochschulausbildung in Kuba zuständig war.

In den 1990er Jahren betrieb Klaus im Erdgeschoss eines Bürogebäudes den „Kleinen Buchladen“ im Bezirk Marzahn, gleich neben der PDS-Bezirksgeschäftsstelle. Darüber hatte der PDS-Politiker und Bundestagsabgeordnete Gregor Gysi sein Büro. Am Morgen des 19. Februar 1997 wurde Klaus von einem Neonazi niedergeschossen und überlebte schwer verletzt. Der damals 62-Jährige verlor seinen linken Arm und einen Finger der rechten Hand. Fortan war er von dem Neonazianschlag gezeichnet und litt bis an sein Lebensende an den Folgen. Der Attentäter erschoss vier Tage später bei seiner Festnahme den 33-jährigen Polizisten Stefan Grage, bekam lebenslänglich wegen Mordes. Im Juni 2016 kam er wieder frei – und kein Verantwortlicher informierte Klaus und Käthe darüber. Das machte Klaus wütend: „Der Täter bekam lebenslänglich und ist wieder frei, doch ich habe lebenslänglich zu leiden.“

Klaus war ein politisch ausgesprochen aktiver Mensch. Er blieb PDS-Mitglied und Mitglied der Partei DIE LINKE. Er spendete für die Arbeitsgemeinschaft Cuba Sí und feierte noch im letzten Jahr seinen Geburtstag auf der Fiesta de Solidaridad, die Cuba Sí jedes Jahr organisiert. Er setzte sich auch für ein würdiges Erinnern an die Barrikadenkämpfe vom 18. März 1848 in Berlin ein. Immer wieder nahm er an Friedenskundgebungen teil, denn auch das war ihm wichtig. Auch in unserer VVN-BdA Köpenick beteiligte er sich und diskutierte mit uns jüngeren Antifaschist:innen. Über die Reden der Politiker:innen, die gegen den Rechtsruck nur Phrasen dreschen können, konnte er sich ordentlich aufregen. Aus eigener leidvoller Erfahrung wusste er: „Wenn man die Faschisten gewähren lässt, greifen sie zum Gewehr.“ Deswegen fand er antifaschistisches Engagement so wichtig. Auch im Kleinen, vor allem vor Ort. Denn auch dort kann man sich nicht darauf verlassen, dass es andere tun. Als vor ein paar Jahren – es war inmitten der Corona-Pandemie – unsere Gedenkveranstaltung am 27. Januar, dem Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus, stattfand, freute sich Klaus, dass wir an der Erinnerung festhielten. Ganz im Gegensatz zum Bezirksamt von Treptow-Köpenick. So waren „vom Bezirksamt weder ein Vertreter noch ein Kranz“ zu entdecken, ärgerte er sich.

Seine Leidenschaft galt dem Handballsport. Schon seit 1970 trainierte er Jugendliche des Köpenicker Sportvereins AJAX e.V. Damals wurde der Trainer von Klaus‘ Tochter Petra zur NVA einberufen. Klaus sprang ein und hörte nicht mehr auf. In den vergangenen zehn Jahren war er Übungsleiter für das Mädchenteam des Friedrichshagener SV 1912 e.V. Bis zuletzt tat er das. Auch sein Sohn Uwe war von Anfang an aktiv dabei.

Und er fotografierte. Bei jeder Gelegenheit sah man Klaus mit der Kamera. Ob Handballturnier oder Gedenkkundgebung – stets knipste Klaus drauf los und verschenkte bei nächster Gelegenheit Abzüge an die abgelichteten Personen. Das war ein großes Glück für unseren Verein. Denn als wir vor einigen Jahren eine Broschüre zu unserem 30-jährigen Bestehen – der BdA Köpenick e.V. war 1990 gegründet worden – zusammenstellten, fehlten uns Bilder von unseren zahlreichen Gedenk- und Protestveranstaltungen. Klaus suchte in seinen gutsortierten Fotoalben und wurde fündig.

In den letzten Jahren wurde seine Käthe sehr krank. Nun pendelte Klaus zwischen der Wohnung und dem Wohnheim, in dem sie untergebracht war, hin und her. Sie so verletzbar zu sehen, machte ihm schwer zu schaffen. Nach Käthes Tod blieb Klaus aktiv, fotografierte unsere Kundgebungen, trainierte weiter die Friedrichshagener Handballerinnen. Er verliebte sich sogar neu in eine alte Jugendfreundin.

Klaus wird uns fehlen. Er wird nicht mehr zum Tag der Mahnung oder zu unseren Gedenkveranstaltungen am Köpenicker Mahnmal kommen. Nun ist Klaus kurz vor seinem 91. Geburtstag in Berlin gestorben.

VVN-BdA Köpenick e.V.

8. Mai 1945 – Befreiung was sonst!

17. Juni 2025

Спасибо, dziekuję, thank you, merci! Wir bedank(t)en uns bei den Befreier*innen!

Wir freuen uns euch einen kleinen filmischen Rückblick auf den 8. Mai 2025 der Berliner VVN-BdA präsentieren zu können.
Auf zwei großen Veranstaltungen im Treptower Park auf den Sowjetischen Ehrenmal und auf dem Bebelplatz erzählten 11 Kinder von Befreiten und Befreier*innen ihre Geschichte der Befreiung vom Faschismus.
Sieben (!) antifaschistische Fahrradkorsos mit fast 1000 Antifaschist*innen feierten den Tag der Befreiung und fuhren von Startorten in der ganzen Stadt mit den Forderungen „8. Mai Feiertag!“, „AfD-Verbot jetzt – Refugees welcome“ durch Berlin zum Bebelplatz.
Wir bedanken uns beim KMC und beim Berlin Boom Orchestra für dir tolle musikalische Unterstützung!
Wir bedanken uns bei allen, die diese Veranstaltungen mit viel Engagement und antifaschistischen Herzblut ernöglicht haben.
Und natürlich bei dem VVN-BdA Mitglied, das dieses schöne Video realisiert hat!

Nie wieder Faschismus- nie wieder Krieg!

#befreiung #WeRemember #keinvergessen #VVNBdA #8mai #feiertag #NoAfD #berlin #niewiederfaschismus

Vor 80 Jahren: Wir erinnern an NIKOLAI BERSARIN

10. Juni 2025

NIKOLAI BERSARIN
Erster 
Stadtkommandant 1945 
und Ehrenbürger von Berlin
(1.4.1904 Sankt Petersburg – 16.6.1945 Berlin)

„Ich versichere Ihnen, dass Kämpfen wesentlich leichter ist als die Verwaltung einer so großen Stadt.“ (Nikolai Bersarin)

Wir möchten Euch einladen, mit uns an den ersten sowjetischen Stadtkommandanten Berlins 1945 zu erinnern.

Montag, 16. Juni 2025 um 18.00 Uhr
an der Gedenktafel Petersburger Straße 86-90 / Bersarinplatz

Begrüßung:

Clara Herrmann (Bezirksbürgermeisterin), Bettina Theek (VVN-BdA)

Es spricht:

Prof. Dr. Götz Aly, Historiker

Als erster sowjetischer Stadtkommandant und Chef der Sowjetischen Garnison in Berlin war Nikolai Bersarin nur 55 Tage im Amt, dennoch blieb er einer der bekanntesten und ist bis heute hochgeachtet.

Bersarin überraschte viele Berlinerinnen und Berliner, die nach der jahrelangen Nazi-Propaganda das Schlimmste von „den Russen“ erwarteten.

Er verhalf den Menschen in unserer Stadt nach Kriegsende zu einem Neubeginn. Verwaltung aufbauen, Lebensmittelverteilung regeln, Filmwesen und Theater reaktivieren.

Stadtkommandant Nikolai Bersarin war kein Repräsentant von Siegerposen, sondern ein Mann praktischer Taten und unmittelbarer Hilfeleistungen.

Er starb bei einem Verkehrsunfall am 16. Juni 1945.

Die Polizei in Berlin am 8.Mai 2025

19. Mai 2025

–  uninformiert, übergriffig, willkürlich

(Gemeinsame Erklärung der Berliner VVN-BdA und des Roten Antiquariats)

Zu glauben, am 80. Jahrestag der Befreiung der Opfer des Faschismus, der Befreiten und Befreier*innen unter den misstrauischen Augen der Staatsgewalt – in diesem Falle der eingesetzten Polizei – in Würde gedenken zu können und auch durch das Recht auf Versammlungsfreiheit geschützt zu sein, war so falsch wie naiv.

Am Bebelplatz, wo die zentrale Gedenkveranstaltung der Berliner VVN-BdA stattfand, wurde schon beim Aufbau der Bühne jedes Transparent, jedes Plakat, jedes Infomaterial auf unserem Büchertisch „überprüft“, fotografiert und an eine Dienststelle weitergeleitet. Eine Polizistin fragte telefonisch nach, ob denn der Slogan „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ erlaubt sei, ein Polizist glaubte im Roten Winkel unserer Vereinigung, der auf unseren Transparenten und Fahnen zu sehen ist, ein „Hamas-Dreieck“ zu erkennen, das damit verboten sei. An anderen Stellen in der Stadt, z. B. am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow, versuchten Polizisten anfangs, Menschen das Tragen von Tüchern der VVN-BdA zu untersagen; schließlich seien das die Farben der russischen Fahne.

Im Laufe der Veranstaltung am Bebelplatz verbot die Polizei dem mobilen Infostand des „Roten Antiquariats“, das antifaschistische und linke Literatur vertreibt, am Denkmal für die Bücherverbrennung 1933 durch die Nazis über die Schriftsteller*innen, deren Bücher die Nazis verbrannten, zu informieren und deren Bücher zu vertreiben. Die Autor*innen waren vielfach aus Deutschland vertrieben oder in den Tod getrieben worden. Dass die Veranstalterin diese Bücher
als Bestandteil der Veranstaltung und des Gedenkens bezeichnete, wurde ignoriert, das Denkmal zum Absurdum geführt.

Ein Mitarbeiter der Firma, die die Bühne aufbaute, wurde gezwungen, einen Pullover auszuziehen, auf dem vermeintlich ein „Z“ zu sehen sei – es handelte sich um das Wort „Chaoz“, Name einer Punkrockband. Seine Personalien wurden überprüft. Wenig später wurde die Sache sang- und klanglos fallen gelassen.

Der Bitte unsererseits wiederum, zwei jugendliche Neonazis, die mit „White Power“-Zeichen provozierten, von der Veranstaltung fernzuhalten, wollten die Beamten anfangs nicht nach­kommen: ihre Teilnahme sei doch durch die Versammlungsfreiheit gedeckt.

All diese Vorfälle werten wir als ungerechtfertigte Eingriffe in die Versammlungsfreiheit und als einen würdelosen, geschichtsvergessenen Umgang mit den Teilnehmer*innen und dem Anlass unserer Veranstaltung. Ausführende waren teils ahnungslose, teils ignorante Polizeibeamt*innen, die auf diesen Einsatz nicht inhaltlich vorbereitet worden waren und oft übergriffige und willkürliche Entscheidungen trafen. Das Vorgehen schien von oben gedeckt zu sein. Ob diese Maßnahmen gesetzlich gedeckt waren, zweifeln wir an, dass ihnen jede Verhältnismäßigkeit fehlte, war offensichtlich. Wir als Veranstalterin sahen uns an mehreren Stellen gezwungen, dieser Polizeiwillkür nachzugeben, um einen würdigen Ablauf unserer antifaschistischen Gedenkveranstaltung zu sichern – einen größeren Polizeieinsatz, während Antifaschist*innen, ältere Nachkommen von NS-Opfern und Widerständler*innen redeten, wollten wir vermeiden.
Dass der Staat und die Behörden, die in der Nachfolge des NS-Staates stehen, sich anmaßen, das Gedenken an die Opfer des NS und die Befreiung vom Faschismus autoritär zu bestimmen und zu kontrollieren, es den Vertreter*innen der Opfer und des antifaschistischen Widerstands enteignet, das macht uns wütend und fassungslos. Dass dies von der Polizei jederzeit durchgesetzt wird, macht uns Sorgen. 

Wehe, wenn die AfD bei einer Regierungsbeteiligung diese jetzt schon autoritären, obrigkeitsstaatlichen Vorgehensweisen mitbestimmt und übernimmt – einen willfährigen Polizeiapparat hat sie schon.80 Jahre nach der Befreiu6&ng vom Faschismus sind in allen deutschen Parlamenten wieder Faschist*innen vertreten, sehen wir uns auf allen gesellschaftlichen Ebenen mit dem Abbau von demokratischen und sozialen Rechten konfrontiert.

Dagegen anzukämpfen, das ist das Vermächtnis des 8. Mai 1945.

Berliner VVN-BdA e.V.

Rotes Antiquariat               
Rungestraße 20
10179 Berlin | info@rotes-antiquariat.de | https://www.rotes-antiquariat.de

Ältere Nachrichten · Neuere Nachrichten