Die Polizei in Berlin am 8.Mai 2025
19. Mai 2025
– uninformiert, übergriffig, willkürlich
(Gemeinsame Erklärung der Berliner VVN-BdA und des Roten Antiquariats)
Zu glauben, am 80. Jahrestag der Befreiung der Opfer des Faschismus, der Befreiten und Befreier*innen unter den misstrauischen Augen der Staatsgewalt – in diesem Falle der eingesetzten Polizei – in Würde gedenken zu können und auch durch das Recht auf Versammlungsfreiheit geschützt zu sein, war so falsch wie naiv.
Am Bebelplatz, wo die zentrale Gedenkveranstaltung der Berliner VVN-BdA stattfand, wurde schon beim Aufbau der Bühne jedes Transparent, jedes Plakat, jedes Infomaterial auf unserem Büchertisch „überprüft“, fotografiert und an eine Dienststelle weitergeleitet. Eine Polizistin fragte telefonisch nach, ob denn der Slogan „Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“ erlaubt sei, ein Polizist glaubte im Roten Winkel unserer Vereinigung, der auf unseren Transparenten und Fahnen zu sehen ist, ein „Hamas-Dreieck“ zu erkennen, das damit verboten sei. An anderen Stellen in der Stadt, z. B. am Sowjetischen Ehrenmal in Treptow, versuchten Polizisten anfangs, Menschen das Tragen von Tüchern der VVN-BdA zu untersagen; schließlich seien das die Farben der russischen Fahne.
Im Laufe der Veranstaltung am Bebelplatz verbot die Polizei dem mobilen Infostand des „Roten Antiquariats“, das antifaschistische und linke Literatur vertreibt, am Denkmal für die Bücherverbrennung 1933 durch die Nazis über die Schriftsteller*innen, deren Bücher die Nazis verbrannten, zu informieren und deren Bücher zu vertreiben. Die Autor*innen waren vielfach aus Deutschland vertrieben oder in den Tod getrieben worden. Dass die Veranstalterin diese Bücher
als Bestandteil der Veranstaltung und des Gedenkens bezeichnete, wurde ignoriert, das Denkmal zum Absurdum geführt.
Ein Mitarbeiter der Firma, die die Bühne aufbaute, wurde gezwungen, einen Pullover auszuziehen, auf dem vermeintlich ein „Z“ zu sehen sei – es handelte sich um das Wort „Chaoz“, Name einer Punkrockband. Seine Personalien wurden überprüft. Wenig später wurde die Sache sang- und klanglos fallen gelassen.
Der Bitte unsererseits wiederum, zwei jugendliche Neonazis, die mit „White Power“-Zeichen provozierten, von der Veranstaltung fernzuhalten, wollten die Beamten anfangs nicht nachkommen: ihre Teilnahme sei doch durch die Versammlungsfreiheit gedeckt.
All diese Vorfälle werten wir als ungerechtfertigte Eingriffe in die Versammlungsfreiheit und als einen würdelosen, geschichtsvergessenen Umgang mit den Teilnehmer*innen und dem Anlass unserer Veranstaltung. Ausführende waren teils ahnungslose, teils ignorante Polizeibeamt*innen, die auf diesen Einsatz nicht inhaltlich vorbereitet worden waren und oft übergriffige und willkürliche Entscheidungen trafen. Das Vorgehen schien von oben gedeckt zu sein. Ob diese Maßnahmen gesetzlich gedeckt waren, zweifeln wir an, dass ihnen jede Verhältnismäßigkeit fehlte, war offensichtlich. Wir als Veranstalterin sahen uns an mehreren Stellen gezwungen, dieser Polizeiwillkür nachzugeben, um einen würdigen Ablauf unserer antifaschistischen Gedenkveranstaltung zu sichern – einen größeren Polizeieinsatz, während Antifaschist*innen, ältere Nachkommen von NS-Opfern und Widerständler*innen redeten, wollten wir vermeiden.
Dass der Staat und die Behörden, die in der Nachfolge des NS-Staates stehen, sich anmaßen, das Gedenken an die Opfer des NS und die Befreiung vom Faschismus autoritär zu bestimmen und zu kontrollieren, es den Vertreter*innen der Opfer und des antifaschistischen Widerstands enteignet, das macht uns wütend und fassungslos. Dass dies von der Polizei jederzeit durchgesetzt wird, macht uns Sorgen.
Wehe, wenn die AfD bei einer Regierungsbeteiligung diese jetzt schon autoritären, obrigkeitsstaatlichen Vorgehensweisen mitbestimmt und übernimmt – einen willfährigen Polizeiapparat hat sie schon.80 Jahre nach der Befreiu6&ng vom Faschismus sind in allen deutschen Parlamenten wieder Faschist*innen vertreten, sehen wir uns auf allen gesellschaftlichen Ebenen mit dem Abbau von demokratischen und sozialen Rechten konfrontiert.
Dagegen anzukämpfen, das ist das Vermächtnis des 8. Mai 1945.
Berliner VVN-BdA e.V.
Rotes Antiquariat
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