Protest-Brief von Marian Kalwary anlässlich der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA

6. Dezember 2019

Protest-Brief von Marian Kalwary

Vorstandsvorsitzender der Vereinigung der Jüdischen Kombattantinnen und Kombattanten und Geschädigten des Zweiten Weltkrieges

Stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der „Kinder des Holocaust“ in Polen

Mitglied des Gesellschaftlichen Beirates am Museum der Geschichte der polnischen Juden POLIN

Foto MichalPawlik

Warschau, den 3.12.2019

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel,

Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister Olaf Scholz,

Sehr geehrter Herr Senator Dr. Matthias Kollatz,

ich wende mich an Sie am Vorabend Ihres ersten Besuches in der Gedenkstätte des deutschen nazistischen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau am 6. Dezember 2019, als Überlebender der Shoah und zugleich Träger des Bundesverdienstkreuzes für besondere Verdienste für das polnisch-jüdisch-deutsche Gemeinwohl (2017), in einer dringenden Angelegenheit betreffend der Unterstützung der Bildungs- und Erinnerungsarbeit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten VVN-BdA e.V. und der Verwirklichung ihrer satzungsmäßigen Tätigkeit.

Ich wurde 1930 in Warschau geboren und war bereits als Kind gezwungen, um zu überleben, in den von den Deutschen errichteten Ghettos und auch in der Zeit des Versteckens zu arbeiten, in ständiger Angst vor der Ausrottung in einem der deutschen Vernichtungslager. Im Oktober 1940 wurde ich und meine Familie gezwungen in das Warschauer Ghetto zu ziehen. Nachdem mir während der gewaltsamen Auflösung des Warschauer Ghettos die Flucht gelang, fand ich mich im Ghetto Wołomin wieder.

In dem deutschen Vernichtungslager Treblinka und eben hier im Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau wurde meine vielköpfige Familie durch deutsche Faschisten verbrecherisch ermordet.

Niemand, der die Shoah nicht erfahren hat, kann sich vorstellen, was uns Juden während der deutschen Besatzung Polens und der deutschen Verfolgung wiederfahren ist. In den Ghettos breiteten sich Krankheiten aus, insbesondere Fleckfieber. Neben dem Hunger war es die häufigste Todesursache. Die Bilder haben sich so tief in mein Gedächtnis eingebrannt, dass ich sie mit all den tragischen Details sehen kann, wenn ich meine Augen schließe. Der erschütterndste Anblick waren die mit Zeitungen oder anderen Papieren bedeckten Leichen. Die Leichenskelette, an denen fast gleichgültig gemarterte Menschenmengen durchdrängelten. Hunderte, vielleicht sogar Tausende, Bettler, die tragisch ausgehungert waren. Im Grunde stieß die ganze Straße einen flehenden Schrei aus: „a sztikełe brot, a sztikłe brot, gib a sztikełe brot“ sowie „oc-rachmunes“. Bis heute höre ich in meinen Ohren ihre Klagen. Alle paar Meter bettelte ein Kind, im Grunde genommen das Skelett eines Kindes. Eines Kindes, dem von seinem Gesichtsausdruck allein große Augen erhalten blieben, die leblos vor sich hin starrten vor Entsetzen und Schmerz. Und jene Dutzenden von Menschen, die auf der Straße lagen, mit von Hunger geschwollenen Füßen. Die Massenhaftigkeit davon war erschreckend. Ich erinnere mich an ein armes kleines Mädchen, vielleicht 6 oder 7 Jahre alt, welches im Winter auf der auf der Treppe eines geschlossenen Ladens saß, die auf einem Stückchen Papier ein paar Schuheinlagen ausbreitete. Ich kann ihr singendes, wehmütiges Stimmlein bis heute hören: „wärmende Einlagen für Männer- und Frauen“, und so immer wieder fort. Nach einigen Tagen, war sie nicht mehr dort …

In ganz Europa, insbesondere in Deutschland und Polen, erleben wir die schreckliche Wiedergeburt des Antisemitismus und neonazistischer Gruppen. Die Attentate der neofaschistischen NSU oder der jüngste Angriff auf die Synagoge in Halle führen mich zur nachdenklichen Feststellung über den Mangel an ehrlicher Bildung über die Vergangenheit. Die Ignoranz dieser gemeinsamen Bedrohungen für alle Demokraten hat dazu geführt, dass die heutige Generation deutscher Jugendlicher vielleicht schon bald die Geschichte des Großen Deutschlands im Zweiten Weltkrieg als Anlass nimmt, um auf sie mit patriotischem Stolz zurückzublicken.

Leider wird das Bild dieser negativen Veränderungen auch durch die Entscheidung des Finanzamtes für Körperschaften I des Landes Berlin ergänzt, welches am 4. November der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) e.V. den Status einer gemeinnützigen Körperschaft entzogen hat. In deren Folge wird die Weiterführung der Anstrengungen und die Existenz der VVN-BdA, der ältesten antifaschistischen Organisation in der Bundesrepublik Deutschland, ernsthaft gefährdet.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) e.V. wurde 1947 von Überlebenden der Konzentrationslager und NS-Gefängnisse gegründet und ist die größte überparteiliche und konfessionslose Organisation von Antifaschisten in Deutschland, die seit Jahren die Interessen der von Nazis Verfolgten und der Widerstandskämpfer sowie ihrer Nachkommen verteidigt, sich für Frieden und Völkerverständigung einsetzt und seit Jahrzehnten gegen große gesellschaftliche Widerstände dafür eintritt, dass die Bewahrung der Erinnerung an die Verbrechen des deutschen Faschismus nicht in Vergessenheit gerät.

Die Aberkennung der VVN-BdA des Status der Gemeinnützigkeit ist für mich umso schmerzhafter als diese Vereinigung und ihre Mitglieder, seit Jahren, jüdische Überlebende in Polen, die vor der planmäßigen Vernichtung gerettet wurde, die ehemaligen Beschäftigten in von Deutschen eingerichteten Ghettos, bei den Bemühungen, um die Auszahlung der ihnen aus dem gesetzlichen Sozialversicherungssystem zustehenden Ghetto-Renten, von denen sie ausgeschlossen waren, unterstützten.

Dank des Engagement der VVN-BdA und ihrer Unterstützung bei der Gründung der Initiative „Ghetto-Renten Gerechtigkeit Jetzt! hat sich im Jahr 2014 der Ausschuss für Arbeit und Soziales des Deutschen Bundestag dieser Angelegenheit angenommen.

Die Berliner Landesvereinigung der VVN-BdA hat darüber hinaus ein Rechtsgutachten angefertigt betreffend der schmerzhaften Angelegenheit, des Ausschlusses von Ghetto-Renten jener Personen, die unter 14 Jahren waren und noch als Kinder in Ghettos beschäftigt wurden (Ausschussdrucksache Nr. 18(11)818). Dank des Engagements der VVN-BdA konnte am 5. Dezember 2014 in Warschau ein Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen zum Export besonderer Leistungen für berechtigte Personen, die im Hoheitsgebiet der Republik Polen wohnhaft sind, unterzeichnet werden, welches die Zahlbarmachung von Renten für eine Beschäftigung in Ghettos nach Polen ermöglichte.

Darüber hinaus leistete die VVN-BdA einen besonderen Beitrag zur Änderung der Anerkennungsrichtlinie des Bundesfinanzministeriums (Richtlinie der Bundesregierung über eine Anerkennungsleistung an Verfolgte für Arbeit in einem Ghetto, die keine Zwangsarbeit war), die im Sommer 2017 die Auszahlung einer Entschädigung an Personen ermöglichte, die nur deshalb keinen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielten, weil sie aufgrund ihres Alters während der Beschäftigung im Ghetto, als Kinder, die allgemeine Wartezeit nicht erfüllen konnten.

Seit vielen Jahren setzt sich die VVN-BdA dafür ein, dass die Erinnerung an das gemeinsame tragische Schicksal der von Nazi-Deutschland verfolgten Juden und Roma nicht ausgelöscht wird. Ich freue mich deshalb, dass ich auf Einladung der Berliner Landesvereinigung der VVN-BdA am 9. November 2018 an der feierlichen Gedenkstunde des Deutschen Bundestages zum 80. Jahrestag der Reichspogromnacht teilnehmen und anschließend an der Gedenkveranstaltung am Denkmal der 1938 von Nazis geschändeten Synagoge in der Levetzowstraße in Berlin und dem seit Jahren von der VVN-BdA organisierten Gedenkmarsch, teilnehmen konnte.

Ich bin beunruhigt und bestürzt darüber, dass die VVN-BdA seines Gemeinnützigkeitsstatus beraubt wurde, die für uns, Überlebende der planmäßigen Vernichtung der Juden und ihre Nachkommen, seit Jahren, ein wichtiger Partner ist in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Demokraten in Europa, bei Bildungsmaßnahmen zur Bewahrung der Erinnerung an NS-Verbrechen, ein Verbündeter im Kampf gegen Neonazismus, Antiziganismus und Antisemitismus und einen wichtigen Partner in den Bemühungen zur Übernahme der Verantwortung für die von der deutschen Gesellschaft begangenen Nazi-Verbrechen darstellt.

Ich wende mich deshalb an Sie mit der eindringlichen Bitte, die Entscheidung des Finanzamtes für Körperschaften I des Landes Berlin betreffend der Aberkennung des Gemeinnützigkeitsstatus bei der VVN-BdA erneut zu prüfen und diese Vereinigung in ihrer wichtigen Arbeit zur Bewahrung der Erinnerung an die Shoah und den Holocaust an den Sinti und Roma, bei den Bemühungen, um die Verteidigung demokratischer Werte, der Förderung der Völkerverständigung und des Gemeinwohls zu unterstützen.

Mit Hochachtung und der Hoffnung auf eine schnelle Antwort,

Marian Kalwary

Vorstandsvorsitzender der Vereinigung der Jüdischen Kombattantinnen und Kombattanten und Geschädigten des Zweiten Weltkrieges

Stellvertretender Vorsitzender des Verbandes der „Kinder des Holocaust“ in Polen

Mitglied des Gesellschaftlichen Beirates am Museum der Geschichte der polnischen Juden POLIN

Protest-Brief anlässlich der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN-BdA von Roman Kwiatkowski, Präsident der Vereinigung der Roma in Polen

6. Dezember 2019

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel,

Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister Olaf Scholz,

Sehr geehrter Herr Senator Dr. Matthias Kollatz,

ich wende mich an Sie am Vorabend Ihres ersten Besuchs der Gedenkstätte des deutschen nazistischen Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau am 6. Dezember 2019.

Am 4. November hat das Finanzamt für Körperschaften I des Landes Berlin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) e.V. den Status einer gemeinnützigen Körperschaften entzogen, wodurch die Weiterführung der Anstrengungen und die Existenz der VVN-BdA, der ältesten antifaschistischen Organisation in der Bundesrepublik Deutschland, ernsthaft gefährdet ist.

Die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) e.V. wurde 1947 von Überlebenden der Konzentrationslager und NS-Gefängnisse gegründet und ist die größte überparteiliche und konfessionslose Organisation von Antifaschisten in Deutschland, die seit Jahren die Interessen der von Nazis Verfolgten und der Widerstandskämpfer sowie ihrer Nachkommen verteidigt, sich für Frieden und Völkerverständigung einsetzt und seit Jahrzehnten gegen große gesellschaftliche Widerstände dafür eintritt, dass die Bewahrung der Erinnerung an die Verbrechen des deutschen Faschismus nicht in Vergessenheit gerät.

Die Aberkennung der VVN-BdA des Status der Gemeinnützigkeit ist für uns umso schmerzhafter als die Vereinigung und seine Mitglieder seit Jahren die Roma in Polen im Kampf gegen die Diskriminierung von Roma und Juden, die ehemaligen Beschäftigten in von Deutschen eingerichteten Ghettos, bei den Bemühungen, um die Auszahlung der ihnen aus dem gesetzlichen Sozialversicherungssystem zustehenden Ghetto-Renten, von denen sie ausgeschlossen waren, unterstützten.

Dank des Engagements der VVN-BdA und ihrer Unterstützung bei der Gründung der Initiative „Ghetto-Renten Gerechtigkeit Jetzt! konnten wir im Jahr 2014 an einem Berichterstattergespräch des Ausschusses für Arbeit und Soziales im Deutschen Bundestag teilnehmen und den Abgeordneten unseren Standpunkt betreffend des Ausschlusses der Roma und Juden mit Wohnsitz in Polen von den ihnen zustehenden Leistungen darlegen. Die Berliner Landesvereinigung der VVN-BdA hat vor diesem Hintergrund darüber hinaus ein Rechtsgutachten über die schmerzhafte Angelegenheit betreffend, des Ausschlusses von Personen unter 14 Jahren von den Ghetto-Renten, die noch als Kinder in Ghettos beschäftigt wurden (Ausschussdrucksache Nr. 18(11)818). Dank des Engagements der VVN-BdA konnte am 5. Dezember 2014 in Warschau ein Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen zum Export besonderer Leistungen für berechtigte Personen, die im Hoheitsgebiet der Republik Polen wohnhaft sind unterzeichnet werden, welches die Zahlbarmachung von Renten für eine Beschäftigung in Ghettos nach Polen ermöglichte.

Darüber hinaus leistete die VVN-BdA einen besonderen Beitrag zur Änderung der Anerkennungsrichtlinie des Bundesfinanzministeriums (Richtlinie der Bundesregierung über eine Anerkennungsleistung an Verfolgte für Arbeit in einem Ghetto, die keine Zwangsarbeit war), die im Sommer 2017 die Auszahlung einer Entschädigung an Personen ermöglichte, die nur deshalb keinen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhielten, weil sie aufgrund ihres Alters während der Beschäftigung im Ghetto, als Kinder, die allgemeine Wartezeit nicht erfüllen konnten.

Seit vielen Jahren setzt sich die VVN-BdA dafür ein, dass die Erinnerung an das gemeinsame tragische Schicksal der von Nazi-Deutschland verfolgten Roma und Juden nicht ausgelöscht wird. Wir freuen uns deshalb, dass wir auf Einladung der Berliner Landesvereinigung der VVN-BdA am 9. November 2018 an der feierlichen Gedenkstunde des Deutschen Bundestages zum Jahrestag der Reichspogromnacht teilnehmen und anschließend an der Gedenkveranstaltung am Denkmal der 1938 von Nazis geschändeten Synagoge in der Levetzowstraße in Berlin und dem seit Jahren von der VVN-BdA organisierten Gedenkmarsch, teilnehmen konnten.

Wir sind besorgt darüber, dass die VVN-BdA seines Gemeinnützigkeitsstatus beraubt wurde, die für uns, Überlebende der planmäßigen Vernichtung der Roma und ihre Nachkommen, seit Jahren, ein wichtiger Partner ist in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Demokraten in Europa, bei Bildungsmaßnahmen zur Bewahrung der Erinnerung an NS-Verbrechen, ein Verbündeter im Kampf gegen Neonazismus, Antiziganismus und Antisemitismus und einen wichtigen Partner in den Bemühungen zur Übernahme der Verantwortung für die von der deutschen Gesellschaft begangenen Nazi-Verbrechen darstellt.

Wir bitten Sie daher eindringlich, die Entscheidung des Finanzamtes für Körperschaften I des Landes Berlin betreffend der Aberkennung des Gemeinnützigkeitsstatus bei der VVN-BdA erneut zu prüfen und diese Vereinigung in seiner wichtigen Arbeit zur Bewahrung der Erinnerung an die Shoah und den Holocaust an den Sinti und Roma, bei den Bemühungen um die Verteidigung demokratischer Werte, der Förderung der Völkerverständigung und des Gemeinwohls zu unterstützen.

Mit Hochachtung und der Hoffnung auf eine schnelle Antwort,

Roman Kwiatkowski

Präsident der Vereinigung der Roma in Polen

Protestbriefe an den Finanzminister, den Finanzsenator und das Berliner Finanzamt!

26. November 2019

Liebe Freund*innen und Unterstützer*innen,

das Berliner Finanzamt für Körperschaften I hat der Bundesvereinigung der VVN-BdA die Gemeinnützigkeit entzogen.

Wir sind über die sofortige Solidarität von vielen, vielen Vereinen, Einzelpersonen, Politiker*innen sehr beglückt und berührt, wir freuen uns über die zahlreichen neuen Mitgliedsanträge und Spenden die uns in den letzten Tagen ereicht haben.

Viele von euch haben gefragt, wie mensch uns nach dem Verlust der Gemeinnützigkeit unterstützen kann. Eine ganz einfache Möglichkeit wäre folgende. Schreibt bitte massenhaft an den Berliner Finanzsenator und das Berliner Finanzamt für Körperschaften I. Per Brief, per Fax per Mail.

Wir haben euch die Adressen und zwei Beispiele angehängt. Das könnt ihr euch rauskopieren und individuell anpassen.

Lasst euch davon inspirieren und lasst uns eine Kopie zukommen.

Eure VVN-BdA

Senatsverwaltung für Finanzen

z.H. Dr. Matthias Kollatz

Klosterstraße 59

10179 Berlin

per Fax: (030) 9020-2624

per Email: pressestelle@senfin.verwalt-berlin.de

Finanzamt für Körperschaften I

Bredtschneiderstr. 5
14057 Berlin

Fax:(030) 9024 27-900
per Email: poststelle@fa-koerperschaften-i.verwalt-berlin.de

Bundesministerium für Finanzen

Bundesfinanzminister Olaf Scholz

Wilhelmstraße 97
10117 Berlin
Postanschrift: 11016 Berlin

Fax: 03018/ 682- 32 60

E-Mail: Poststelle@bmf.bund.de

 

Beispiel 1

Sehr geehrter Herr Dr. Kollatz,

ich kann es nicht glauben. In einer Zeit, in der Rassismus, Antisemitismus, Hass gegen Minderheiten , rechtsextremistische  Strömungen fröhliche Urständ feiern und unsere Demokratie bedrohen, ganz zu schweigen von den Gewalttaten und Morden der Faschisten, wollen sie der VVN die Gemeinnützigkeit aberkennen, einer Organisation, die s seit dem 8.Mai 1945 zuverlässig für das Nie Wieder Faschismus arbeitet. Ich habe in verschiedenen  Bildungsstätten der IG Metall viele Jahre mit der VVN zusammen gearbeitet, und antifaschistische Widerstandskämpfer haben als Zeitzeugen oft in meinen Seminaren von ihren Erfahrungen berichtet. Auch Frau Bejarano, der ehemalige Bezirksleiter der IG Metall Willi Bleicher und Prof Eugen Kogon haben bei uns referiert. Die Gedenkfeiern in der Bittermark in Dormund, wo die Nazis in den letzten Tagen des Krieges noch viele politische Häftlinge ermordeten,wurden  gemeinsam mit dem sozialdemokratischen Oberbürgermeister Samtlebe u.a. durchgeführt. Ich hoffe und erwarte, dass Sie von der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der VVN ablassen. Es wäre ein fatales politisches Signal und Wasser auf die Mühlen der AfD und ihrers Anhangs, wenn Sie eine Organisation diskriminieren, die seit Jahrzehnten Aufklärung über den Faschismus und seine Folgen und demokratische Bildungsarbeit leistet.

Ihrer Antwort sehe ich mit Interesse entgegen
Mit freundlichem Gruß

Walter Weller

 

Beispiel 2

Protest gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit der Bundesvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) e.V

Sehr geehrter Herr Dr. Kollatz, sehr geehrte Damen und Herren

Am 4. November hat das Finanzamt für Körperschaften I des Landes Berlin der Bundesvereinigung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) e.V. die Gemeinnützigkeit entzogen, womit die VVN-BdA in ihrer Existenz bedroht ist.

Von Überlebenden der Konzentrationslager und Gefängnisse 1947 gegründet, ist die VVN-BdA seitdem die größte, älteste, überparteiliche und überkonfessionelle Organisation von Antifaschistinnen und Antifaschisten Deutschland die Interessen von Verfolgten und Widerstandskämpfern, sowie deren Nachkommen, tritt für Frieden und Völkerverständigung ein und hat gegen große gesellschaftliche Widerstände wesentlich dafür gesorgt, dass die Verbrechen des deutschen Faschismus nicht in Vergessenheit geraten sind.

Warum handelt das Finanzamt Berlin anders, als z.B. das Finanzamt Oberhausen-Süd, das der Landesvereinigung NRW die Gemeinnützigkeit am 22. Oktober gewährt hat? In beiden Fällen war derselbe Vorwurf erhoben worden. Er besteht darin, dass die Landesvereinigung Bayern der VVN-BdA im bayrischen Verfassungsschutzbericht wiederholt als linksextremistisch beeinflusst dargestellt wird. Während das Finanzamt Oberhausen-Süd der Widerrede der VVN-BdA im Anhörungsverfahren entsprach, beharrt das Berliner darauf, dass „der volle Beweis des Gegenteils, als Widerlegung der Vermutung(!) als extremistische Organisation“ nicht erbracht worden sei. Das bedeutet, dass die Bewertung durch eine nachgeordnete bayrische Landesbehörde, die laut bayrischem Gerichtshof keine Tatsachenbehauptung darstellt, demnach über das Schicksal einer bundesweit arbeitenden zivilgesellschaftlichen Organisation entscheidend ist.

Ich bin empört über die ungeprüfte Übernahme der haltlosen Unterstellungen der bayrischen Behörden und fordert Sie daher auf, die Gemeinnützigkeit der VVN-BdA wiederherzustellen!

Mit freundlichen Grüßen und in der Hoffnung auf eine baldige Antwort,

XYZ

 


			 							

Offener Brief von Esther Bejarano an Olaf Scholz. Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus!

25. November 2019

Offener Brief an den
Bundesminister der Finanzen
Herrn Olaf Scholz
Wilhelmstraße 93
10117 Berlin

Was ist gemeinnützig? Zur Entscheidung eines Finanzamtes                                                           25. November 2019

Sehr geehrter Herr Minister Scholz,

seit 2008 bin ich die Ehrenvorsitzende der VVN–BdA, der gemeinnützigen Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, gegründet 1947 von Überlebenden der Konzentrationslager und NS-Verfolgten. Die Arbeit der Antifa, die Arbeit antifaschistischer Vereinigungen ist heute – immer noch – bitter nötig. Für uns Überlebende ist es unerträglich, wenn heute wieder Naziparolen gebrüllt, wenn jüdische Menschen und Synagogen angegriffen werden, wenn Menschen durch die Straßen gejagt und bedroht werden, wenn Todeslisten kursieren und extreme Rechte nicht mal mehr vor Angriffen gegen Vertreter des Staates zurückschrecken.

Wohin steuert die Bundesrepublik?
Das Haus brennt – und Sie sperren die Feuerwehr aus!, wollen der größten und ältesten antifaschistischen Vereinigung im Land die Arbeit unmöglich machen? Diese Abwertung unserer Arbeit ist eine schwere Kränkung für uns alle. „Die Bundesrepublik ist ein anderes, besseres Deutschland geworden“, hatten mir Freunde versichert, bevor ich vor fast 60 Jahren mit meiner Familie aus Israel nach Deutschland zurückgekehrt bin. Alten und neuen Nazis bin ich hier trotzdem begegnet.
Aber hier habe ich verlässliche Freunde gefunden, Menschen, die im Widerstand gegen den NS gekämpft haben, die Antifaschistinnen und Antifaschisten. Nur ihnen konnte ich vertrauen.

Wir Überlebende der Shoah sind die unbequemen Mahner, aber wir haben unsere Hoffnung auf eine bessere und friedliche Welt nicht verloren. Dafür brauchen wir und die vielen, die denken wie wir, Hilfe! Wir brauchen Organisationen, die diese Arbeit unterstützen und koordinieren.

Nie habe ich mir vorstellen können, dass die Gemeinnützigkeit unserer Arbeit angezweifelt oder uns abgesprochen werden könnte! Dass ich das heute erleben muss!
Haben diejenigen schon gewonnen, die die Geschichte unseres Landes verfälschen wollen, die sie umschreiben und überschreiben wollen? Die von Gedenkstätten ‚als Denkmal der Schande‘ sprechen und den NS-Staat und seine Mordmaschine als ‚Vogelschiss in deutscher Geschichte‘ bezeichnen?
In den vergangenen Jahrzehnten habe ich viele Auszeichnungen und Ehrungen erhalten, jetzt gerade wieder vom Hamburger Senat eine Ehrendenkmünze in Gold. Mein zweites Bundesverdienstkreuz, das Große, haben Sie mir im Jahr 2012 persönlich feierlich über-reicht, eine Ehrung für hervorragende Verdienste um das Gemeinwohl, hieß es da. 2008 schon hatte der Bundespräsident mir das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse angeheftet. Darüber freue ich mich, denn jede einzelne Ehrung steht für Anerkennung meiner – unserer – Arbeit gegen das Vergessen, für ein „Nie wieder Krieg – nie wieder Faschismus“, für unseren Kampf gegen alte und neue Nazis.

Wer aber Medaillen an Shoah-Überlebende vergibt, übernimmt auch eine Verpflichtung. Eine Verpflichtung für das gemeinsame NIE WIEDER, das unserer Arbeit zugrunde liegt.
Und nun frage ich Sie:
Was kann gemeinnütziger sein, als diesen Kampf zu führen?
Entscheidet hierzulande tatsächlich eine Steuerbehörde über die Existenzmöglichkeit einer Vereinigung von Überlebenden der Naziverbrechen?
Als zuständiger Minister der Finanzen fordere ich Sie auf, alles zu tun, um diese unsäg-liche, ungerechte Entscheidung der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der Arbeit der VVN–BdA rückgängig zu machen und entsprechende Gesetzesänderungen vorzuschlagen.
Wir Überlebenden haben einen Auftrag zu erfüllen, der uns von den Millionen in den Konzentrationslagern und NS-Gefängnissen Ermordeten und Gequälten erteilt wurde. Dabei helfen uns viele Freundinnen und Freunde, die Antifaschistinnen und Antifaschisten – aus Liebe zur Menschheit! Lassen Sie nicht zu, dass diese Arbeit durch zusätzliche Steuerbelastungen noch weiter erschwert wird.

Mit freundlichen Grüßen
Esther Bejarano
Vorsitzende
Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.
Ehrenvorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes –
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten

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