Zum Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Neukölln

5. Oktober 2023

Wir fordern die sofortige Rückholung von Jamil Amadi nach Deutschland!

„Sie sind eigentlich immer hier, wenn der Untersuchungsausschuss zum Neukölln Komplex tagt. Ihr Protest eine Mahnung. Einige von ihnen waren von den Anschlägen betroffen. Ihr Vertrauen in die Ermittlungsbehörden mindestens tief erschüttert. „ RBB _Abenschau, 29.9.2023

Kaum Ergebnisse

Betroffene des Neukölln-Komplexes, die Berliner VVN-BdA, die Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş und weiter solidarische Initiativen organisieren regelmäßig am Tag der Sitzungen des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex kleine Kundgebungen vor dem Berliner Abgeordnetenhaus.
Am vergangenen Freitag, dem 29.9.2023, war auch der Polizeibeamte Stefan Kollmann geladen, um ihn zu seiner Tätigkeit in der Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus (EG Rex) zu befragen. Zu K.s polizeilichen Aufgaben gehörte die Netzwerkarbeit mit zivilgesellschaftlichen Initiativen in Neukölln. Er dürfte somit unzähligen Engagierten im Süden Neuköllns bekannt gewesen sein, unter ihnen zahlreiche Betroffene von Rassismus und Neonazigewalt im Neukölln-Komplex. Im vergangenen Jahr wurde er wegen eines rassistischen Überfalls, fünf Jahre nach der Tat,  auf den afghanischen Geflüchteten Jamil Amadi verurteilt – ein Diziplinarverfahren ist noch anhängig. Obwohl Jamil als Zeuge und Nebenkläger Prozessbeteiligter war und ist, wurde er am 11. März 2020 nach zwei Verhandlungstagen mit der Zustimmung von Innensenator Andreas Geisel nach Afghanistan abgeschoben.

Herr Kollmann erschien am Freitag nicht – wir versuchten dennoch die Gelegenheit nutzen auf die unmenschliche Behandlung  Jamil Amadis hinzuweisen und forderten an dieser Stelle Innensenatorin Spranger dazu auf, eine sofortige Rückkehr Amadis nach Deutschland zu ermöglichen. Von den Mitgliedern des PUA erwarten wir aufzuklären, warum ein Beamter mit  rechtsextremer Gesinnung, seine Mittäter hatten einen klaren Bezug zur Neonazi-Szene, zur Aufklärung rechter Straftaten und als Kontaktperson zu Betroffenen und zivilgesellschaftlichen Initiativen eingesetzt werden konnte. Stefan K. hat das durch die massiven Ermittlungsfehler bei der Aufklärung des Neukölln Komplexes ohnehin schwer erschütterte öffentliche Vertrauen in die Polizei zusätzlich beschädigt.

Redebeitrag der Berliner VVN-BdA

Redebeitrag auf der Kundgebung zur 17. Sitzung des Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Neukölln-Komplex – Freitag, 29.09., vor dem Berliner Abgeordnetenhaus

(Georg, VVN Neukölln)

Für den heutigen Termin ist der Polizeibeamte Stefan Kollmann geladen. Er hat sich wohl krankgemeldet.
Stefan Kollmann gehörte zur ersten Neuköllner Ermittlungsgruppe Rechtsextremismus (EG Rex), von 2008 bis zu Ihrer Auflösung 2016. 2017 wurde er breiter bekannt, als Kollmann als Haupttäter mit 2 anderen aus NeoNazi-Kreisen bekannten Tätern nach dem Besuch eines Fußballspiels einen aus Afghanistan Geflüchteten unter rassistischer Beschimpfung zusammenschlug und schwer verletzte.

Im vergangenen Jahr wurde er wegen dieses rassistischen Überfalls, fünf Jahre nach der Tat,  verurteilt – ein Diziplinarverfahren ist noch anhängig. Dem betroffene Mann wurde die Nase gebrochen und Schulter-verletzungen zugefügt. Seit dem Überfall leidet er unter erheblichen psychischen Beeinträchtigungen, ist seitdem traumatisiert. Kollmann soll den eintreffenden Einsatzkräften gesagt haben, dass kein Problem vorliege, es seien keine deutschen Interessen berührt.

Umso befremdlicher ist es, dass dieser Stefan Kollmann, der also seit 2017 zumindest als ein gewalttätiger Rassist bekannt ist, in der EG Rex, in den Ermittlungen der Neonazi-Anschlagserie tätig war. In seine Dienstzeit dort fallen viele schwere Angriffe sowie die Morde an Burak Bektaș und Luke Holland.

Der Fall Kollmann wirft ein neues Schlaglicht auf diese zwei rassistisch bzw. nationalistisch motivierte Morde in Neukölln. Denn: dem LKA und der EG Rex wurde nach dem Mord an Burak Bektaș 2012 immer wieder vorgeworfen, Rassismus als Motiv zu ignorieren und Nazis nur oberflächlich oder überhaupt nicht als Täter in Betracht zu ziehen. Kein Wunder bei solchen Ermittlern wie Kollmann. Drei Jahre später wurde mit Luke Holland ein weiterer Mensch von einem Nazi ermordet. Der Täter Rolf Zielezinski ist ein Neuköllner Nazi, der zum Tatzeitpunkt 2015 bereits aktenkundig war. Einer jener Nazis also, auf die die EG Rex eigentlich angesetzt war. Wäre bei Burak Bektas ernsthafter ermittelt worden, wäre der zweite Mord eventuell verhindert worden.

Warum war mit dem Polizisten Stefan Kollmann jemand für die Ermittlungen der NeoNazi-Anschlagsserie zuständig, der selbst offenbar eine  rechtsextreme Gesinnung hat? Seine Mittäter hatten jedenfalls einen klaren Bezug zur Neonazi-Szene. Kollmann war die direkte Kontaktperson der EG Rex in der Netzwerkarbeit mit zivilgesellschaftlichen Initiativen im Bezirk. Er dürfte mit unzähligen engagierten Gruppen und Personen im Süden Neuköllns bekannt gewesen sein, unter ihnen viele Betroffene von schwerer Nazigewalt. Zwischenzeitlich bestand die EG Rex aus nur drei Beamt*innen – Kollmann gehörte offenbar zu diesem Kern der Einheit.

Der Spruch vom Bock, der zum Gärtner gemacht wurde, ist hier noch viel zu harmlos. Die Frage ist doch: Hat ein rassistischer Polizeibeamter also jahrelang Kontakte zu linken Engagierten gehalten, sie dabei womöglich systematisch ausspioniert, gar die Ermittlungen sabotiert? Hatte er womöglich gar Kontakte zu den drei Hauptverdächtigen der Anschlagsserie? Stefan K. hat das durch die massiven Ermittlungsfehler bei der Aufklärung des Neukölln Komplexes ohnehin schwer erschütterte, öffentliche Vertrauen in die Polizei zusätzlich beschädigt. Aber: nach wie vor geht es auch und besonders darum, dass das Land Berlin den von Kollmann und Konsorten zusammengeschlagenen Mann, Jamil Amadi, als Opfer rechter Gewalt Bleiberecht gewähren muss. Obwohl Jamil als Zeuge und Nebenkläger Prozessbeteiligter war, wurde er am 11. März 2020 nach zwei Verhandlungstagen mit der Zustimmung von Innensenator Andreas Geisel nach Afghanistan abgeschoben.

Die zuständige Staatsschutzabteilung der Staatsanwaltschaft erwähnte in ihrer Anklageschrift gegen den Polizisten und die beiden anderen Angreifer kein politisches Motiv, auch die rassistischen Beleidigungen wurden nicht angeklagt. Das Gericht bestätigte jedoch die rassistische Motivation des Angriffs und verurteilte die Täter zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 80 Euro bzw. einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten auf 3 Jahre Bewährung für einen der Mittäter. PRO ASYL, ReachOut, KOP und der Flüchtlingsrat Berlin zeigten sich tief enttäuscht über die Milde des Urteils. „Es ist ein Skandal, dass Jamil Amadis Leben zerstört wurde und die Täter nicht angemessen zur Rechenschaft gezogen werden, obwohl das rassistische Tatmotiv gerichtlich anerkannt wurde“, sagte Samiullah Hadizada vom Flüchtlingsrat Berlin. Unsere Forderungen an Innensenatorin Frau Spranger:

Wir fordern die sofortige Rückholung von Jamil Amadi nach Deutschland! Er braucht dringend kompetente medizinische Benandlung. Frau Spranger, sie sind gefordert, die grausame Fehlentscheidung ihres Amtsvorgängers rückgängig zu machen. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit und der Menschlichkeit!

Weitere Informationen:
https://www.buendnis-neukoelln.de/2022/hilfe-und-gerechtigkeit-fuer-jamil-ahmadi/
https://www.proasyl.de/pressemitteilung/berliner-polizist-wegen-rassistisch-motiviertem-angriff-verurteilt/
https://www.tagesspiegel.de/berlin/berliner-polizist-wegen-angriff-auf-gefluchteten-zu-geldstrafe-verurteilt-8020387.html

Wir hoffen auch sehr, dass sich der Ausschuss bald der Mordfälle Bektaş und Holland annimmt.

Mit unseren Kundgebungen möchten wir die Abgeordneten im PUA-Neukölln II ermuntern etwas weniger gemächlich zu ermitteln und den Ermittlungsbehörden und den Täter*innen etwas energischer auf die Pelle zu rücken – nicht mehr und nicht weniger!

Dafür ist es auch wichtig die Ausschusssitzungen zu besuchen und Öffentlichkeit herzustellen. Nächste Termine: 13.10.2023, 10.11.2023 – jeweils Freitag, 9.00 Uhr

Hier finden sich die Sitzungstermine und weitere Informationen:

https://www.parlament-berlin.de/Ausschuesse/19-1-untersuchungsausschuss-neukolln-ii

Hier können sich Besucher*innen anmelden:
Besucherdienst & Geschäftsstelle:
Tel.: (030) 2325 1064
besucherdienst@parlament-berlin.de


„Unser Blatt 82“ erschienen

7. September 2023

Im August 2023 ist die 82. Ausgabe unserer Mitgliederzeitung erschienen. Sie enthält auf 16 Seiten viele Informationen zu unseren Aktivitäten und Termine für die nächste Zeit. Die Ausgabe und viele weitere Ausgaben sind hier nachzulesen.

5. AUGUST 1943 (VOR 80 JAHREN)

1. August 2023

Mit Aufklebern wie diesem versuchten die Mitglieder der „Roten Kapelle“ gegen die von den Nazis zu Propagandazwecken im Mai 1942 eröffnete Ausstellung „Das Sowjetparadies“ zu protestieren.

Wir gedenken und ehren

Samstag | 5. AUGUST 2023 | 11:00 Uhr

Kranzniederlegung und stilles Gedenken in der Gedenkstätte Plötzensee
(Hüttigpfad, 13627 Berlin Charlottenburg Wilmersdorf

15:00: Gedenkkundgebung an Ursula Goetze vor dem Haus der Hornstraße 3 in Kreuzberg.

Erinnerungsstafel an Ursula Goetze in der Hornstraße 3 in Kreuzberg

Am 5. August 1943 wurden 13 mutige Frauen und drei Männer aus dem von den Nazis so genannten Widerstandsnetzwerkes Rote Kapelle mit dem Fallbeil in der NS-Hinrichtungsstätte Plötzensee ermordet.

Wir gedenken ihnen allen mit einer Kranzniederlegung in der Hinrichtungsstelle Plötzensee und einer Gedenkkundgebung in Kreuzberg am 80. Jahrestag ihrer Ermordung.

Zu folgender Uhrzeit wurden die Widerstandskämpfer:innen am 5. August 1943 im 3 Minutentakt hingerichtet:

19:00 Uhr Stanislaus Wesolek

19:03 Uhr Emil Hübner
19:06 Uhr Dr. Adam Kuckhoff
19:09 Uhr Frida Wesolek
19:12 Uhr Ursula Goetze
19:15 Uhr Marie Terwiel
19:18 Uhr Oda Schottmüller
19:21 Uhr Rose Schlösinger
19:24 Uhr Hilde Coppi
19:27 Uhr Klara Schabbel
19:30 Uhr Else Imme
19:33 Uhr Eva Maria Buch
19:36 Uhr Anni Krauss
19:39 Uhr Ingeborg Kummerow
19:42 Uhr Cato Bontjes van Beek
19:45 Uhr Liane Berkowitz

Die Rote Kapelle war ein eher lose organisiertes Widerstandsnetzwerk, bestehend aus verschiedenen Gruppen, die zum Teil schon seit 1933 bestanden und war eine der größten Widerstandsorganisationen ihrer Art gegen das faschistische Regime. Etwa 150 Personen ganz unterschiedlicher sozialer Herkunft und politischer Weltanschauung waren hier aktiv, darunter mindestens ein Drittel Frauen. Trotz unterschiedlicher Herkunft und Weltanschauung einte sie ein gemeinsames Ziel: Widerstand gegen das faschistische NS Regime zu leisten.

Die Aktivitäten waren vielfältig: Herstellung und Verbreitung illegaler Schriften, Unterstützung von Verfolgten und Zwangsarbeitenden, Sammlung geheimer Informationen über die deutschen Kriegsplanungen. Vor dem Überfall auf die Sowjetunion im Juni 1941 versuchte ein Teil, Moskau per Funkspruch zu warnen.

Der Frauenanteil und die Aktivität der Frauen waren hier sehr viel höher als in anderen Widerstandskreisen. Politische Diskussionen, geheime Treffen getarnt als Kaffeekränzchen, Herstellung und Verbreitung von Flugschriften, Sammeln geheimer Informationen, Weitergabe von Informationen, Unterstützung von Verfolgten, Kontakte knüpfen und Verbindungen zwischen den einzelnen Gruppen halten. Die sog. Klebezettel Aktion im Mai 1942 führten Frauen und Männer, getarnt als Paar durch – dies war unauffälliger. Obwohl sie oft mit ihren Partnern aktiv waren, lag die Motivation sehr selten nur in der Unterstützung. Die Entscheidung, Widerstand zu leisten, trafen sie allein. Ohne die aktive Mitwirkung von Frauen hätte es das Netzwerk so nicht gegeben.

Besonders an den Widerstand der Frauen der Roten Kapelle, stellvertretend für den gesamten, bisher viel zu wenig gewürdigten Widerstand von Frauen, wollen wir mit der Kundgebung vor dem Wohnhaus der Studentin Ursula Goetze erinnern. Ursula Goetze stellte mehrfach ihre Wohnung in der Hornstraße 3 für geheime Treffen zur Verfügung, traf sich hier mit Gleichgesinnten wie Liane Berkowitz, unterstützte Fremdarbeiter und einiges mehr.

Lange war die Rote Kapelle fast vergessen. In der DDR wurde überwiegend den Kommunist*innen gedacht. In der Bundesrepublik galt die Rote Kapelle noch lange nach 1945 als Sowjetischer Spionagering und ihre Mitglieder als „Landesverräter“, nicht zuletzt durch die in die BRD Justiz übernommenen Nazirichtern wie Manfred Roeder – der Richter, der 1942 und 1943 die Todesurteile gegen die Rote Kapelle fällte. Die Urteile wegen „Kriegsverrat wurden erst 2009 offiziell aufgehoben.

Für uns als VVN BdA hat die Rote Kapelle eine große Bedeutung, viele Nachkommen waren und sind unter unseren Mitgliedern vertreten, darunter unser Ehrenvorsitzende Hans Coppi Jun., der Sohn von Hans und Hilde Coppi. Seine Mutter gehörte auch zu den 13 Frauen, die am 5. August 1943 ermordet wurden. „Stolz, beherrscht und lieb. Kein Hass. Eine rührende Persönlichkeit. Rechnete nie mit ›Gnade der Menschen. Nie bereut.“ – Dies wurde von einer Wärterin auf der Haftkarte von Hilde Coppi notiert. Hans Coppi Jr. hatte entscheidenden Anteil daran, dass das Widerstandsnetzwerk heute anerkannter Teil der deutschen Erinnerungskultur an den Widerstand gegen den Nationalsozialismus geworden ist.

Programm:
11:00: Kranzniederlegung und stilles Gedenken in der Gedenkstätte Plötzensee
(Hüttigpfad, 13627 Berlin Charlottenburg Wilmersdorf)

15:00: Gedenkkundgebung vor dem Haus der Hornstraße 3 in Kreuzberg.

Musikalische Umrahmung Isabell Neuenfeldt

Antifaschistinnen aus Anstand // www.Frauen-im-Widerstand.de
Kiezbündnis am Kreuzberg e.V. // www.kiez-am-kreuzberg.de

Save the date: Tag der Erinnerung und Mahnung 2023

18. Juli 2023

Auch in diesem Jahr veranstaltet die Berliner VVN-BdA am 2. Sonntag im September den „Tag der Erinnerung und Mahnung“.
Für dieses Jahr wurde das Motto „Für eine Welt des Friedens und der Freiheit – gemeinsam gegen Krieg und Faschismus“ gewählt. Es wird wieder eine bunte Mischung aus Infoständen, Ausstellungen, Diskussionen und musikalischem Programm geboten werden.
Alle weiteren Infos gibt es demnächst.

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