Wider die geschichtsvergessene Umdeutung des Roten Winkels

9. Juli 2024

Offener Brief an den Senat von Berlin und die Zuständigen in den Ländern und im Bund

Den aktuellen Presseveröffentlichungen entnehmen wir, dass der Senat von Berlin beabsichtigt, das „Hamas-Dreieck“, also die Verwendung eines roten, mit der Spitze nach unten zeigenden Dreiecks in der Öffentlichkeit im Kontext propalästinensischer und antisemitischer, bzw. israelfeindlicher Aktionen zu verbieten. Das Plenum des Abgeordnetenhauses hat dem entsprechenden Ersuchen von CDU und SPD, sich auf Bundesebene dafür einzusetzen am Donnerstag zu gestimmt. Wir empfinden dieses überstürzte unbegleitete Vorgehen als Aktionismus und reine Symbolpolitik im Kampf gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit. Und: wir ärgern uns sehr, dass die Aneignung und Umdeutung des traditionellen Symbols der Organisationen von Überlebenden des Nazi-Terrors von Presse, Öffentlichkeit und Politik so schnell übernommen wird – kein Ruhmesblatt für die deutsche Erinnerungspolitik.

Die Unterzeichnenden engagieren sich zivilgesellschaftlich, wissenschaftlich und pädagogisch in der Erinnerungsarbeit an Nationalsozialismus, Verfolgung und Widerstand in den Jahren 1933 bis 1945 und fragen: Hat es vorher Konsultationen mit jenen gegeben, die als Opferorganisationen den Roten Winkel in ihren Logos und Fahnen tragen, wie z.B. die VVN-BdA, die Amicale d’Oranienburg-Sachsenhausen et ses kommandos oder den Bund Sozialdemokratischer FreiheitskämpferInnen, Opfer des Faschismus und aktiver AntifaschistInnen, um nur drei europäische Verbände von vielen zu nennen? Gab es eine wissenschaftliche Begleitung? Ansprechpartner*innen in Universitäten und Gedenkstätten gibt es ja in Berlin und Umgebung genug. Wie nehmen Sie Einfluss auf die Berichterstattung, um  klarzustellen, dass es sich bei Ihrem Verbot nicht um den Roten Winkel der Verfolgten und Opfer des Naziregimes handelt, oder um zu verhindern, dass sich der Begriff-„Hamas Dreieck“ in der Öffentlichkeit etabliert? Haben die Initiatoren*innen vor, Versäumtes nachzuholen bevor sie es zu einer bundesweiten Initiative machen? Werden Polizeibeamt*innen darin geschult diese Symbole nicht zu verwechseln?

Natürlich haben auch – und gerade – wir mit Entsetzen feststellen müssen, dass in Deutschland und Europa ein Symbol, das für die Erinnerung an das KZ-System der Nationalsozialisten steht und gleichzeitig an Verfolgung und Widerstand erinnert, von Menschen missbraucht worden ist, um im Rahmen einer angeblich pro-palästinensischen Agenda politische Gegner*innen als Angriffsziele zu markieren und das Existenzrecht Israels in Frage zu stellen.

Das rote Dreieck war im KZ-System die Kennzeichnung der politischen Gefangenen aus Deutschland und aus den besetzten Ländern. Nach der Befreiung von der nationalsozialistischen Terrorherrschaft machten es die befreiten KZ-Häftlinge und Verfolgten zu ihrem Symbol und demonstrierten damit ihren Widerstand.

Im Gegensatz dazu wird die Kennzeichnung von Angriffszielen mit roten Dreiecken durch die palästinensische Hamas, die aus Computerspielen übernommen worden sein soll, wieder zum Symbol der Mörder[1]. Ein „Spiel“, das sowohl die 1200 ermordeten Israelis als auch die palästinensische Bevölkerung im kalkulierten Krieg in Gaza teuer zu stehen kommt. Damit verkehren antiisraelische und antisemitische Aktivist*innen ein Symbol der Widerstandsgeschichte Verfolgter und Überlebender des Naziregimes, das auch für heutige Generationen zum Symbol des Antifaschismus geworden ist, in sein Gegenteil!

Der antisemitische Charakter der ganzen Vorgehensweise manifestiert sich in der Reaktion auf alles Jüdische: Synagogen werden mit anti-israelischen Stickern genauso beklebt, wie die Statuen von Popsänger*innen wie Amy Winehouse, die, weil sie, was kaum bekannt ist, Jüdin war, einen Davidstern am Hals trug.

Die überlebenden Verfolgten und Widerstandskämpfer*innen trugen ihre Fahne mit dem roten Winkel, und wir tragen sie heute noch, im Kampf gegen alten und neuen Faschismus, gegen Antisemitismus und Rassismus.

Der mit der Hamas sympathisierende „Befreiungskampf“ wendet es gegen sie, propagiert die gegenteiligen Werte und vereinnahmt ihre Geschichte.

Das ist aus unserer Sicht genauso geschichtsvergessen wie die Pläne der Berliner Regierungskoalition, die Verwendung und öffentliche Darstellung des Roten Dreiecks zu verbieten.

Das rote Dreieck findet sich auf zahlreichen Denkmälern und Erinnerungsorten für die Opfer des NS-Regimes. Von NS-Verfolgten gegründete Organisationen wie die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) verwenden das rote Dreieck, um an die NS-Verfolgung der diversen Opfergruppen zu erinnern.

Sollen tatsächlich Gedenkstätten, Grabsteine und Mahnmale, auf denen sich dieses rote Dreieck befindet, abgerissen oder verhängt werden? Darf die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes ihre Symbole nicht mehr zeigen, wenn sie gegen das Vergessen, gegen Faschismus oder Antisemitismus demonstriert?

Wir fordern Sie auf:

Beteiligen Sie sich nicht aus einem Gefühl der Hilflosigkeit an dieser Bedeutungsverschiebung eines Symbols, das gerade in Deutschland und Europa die Erinnerung an Antifaschistinnen und Antifaschisten, Opfer und widerständig zugleich, wachhalten und ihre Werte verteidigen soll. Streiten Sie mit uns und dem Roten Winkel für eine würdige Gedenkpolitik, einen antirassistischen Antifaschismus und die Sicherheit jüdischen Lebens.

Der Rote Winkel wird bleiben!

Berlin, 9.Juli 2024

Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes –
Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten e..V. – (Berliner VVN-BdA e.V.)

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA e.V.) Bundesorganisation

Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten – Landesverband Brandenburg

AKuBiZ e.V.

gedenkplaetze.info

Antifaschistische Aktion Lüneburg/ Uelzen

VVN BdA Ortsvereinigung Frankfurt an der Oder

VVN BdA Landesvereinigung Badenwürttemberg

VVN BdA Mainz/ Rheinland-Pfalz

VVN BdA Kreisvereinigung Freiburg

VVN BdA Kreisvereinigung Koblenz

VVN BdA Landesvereinigung Niedersachsen

Antifaschistische Erholungs- und Begegnungsstätte Heideruh

Förderverein Projekt Osthofen (Mainz)

Wir würden uns freuen, wenn diese Erklärung von Lagergemeinschaften, Initiativen, Vereinen und Verbänden, Gedenkstättenvertreter*innen etc. unterstützt wird.Wir werden die Rückmeldungen sammeln und demnächst veröffentlichen.

Kontakt: berlin@vvn-bda.de

Wir würden uns über eine weite Verbreitung dieser Erklärung freuen.


[1] So: https://www.tagesspiegel.de/politik/das-symbol-stellt-eine-bedrohung-dar-berlins-koalition-will-verbot-des-hamas-dreiecks-vorantreiben-11825114.html

Vor 80 Jahren: Majdanek

4. Juli 2024


Erste KZ-Gedenkstätte Europas

Karl Forster,
(Deutsch-Polnische Gesellschaft und VVN-BdA) berichtet

Antifa Jour fixe der Berliner VVN-BdA

Montag, 15. Juli 2024, 18.30, Cafe Sibylle, Karl-Marx-Allee 72, 10243 Berlin

Der Tag der Befreiung des KZ Auschwitz, der 27. Januar 1945, wurde zum Internationalen Holocaust-Gedenktag. Dadurch ist dieses Datum eigentlich allen im Gedächtnis. Doch nur wenige wissen, dass bereits ein halbes Jahr früher das Konzentrationslager Lublin, bekannt als KZ Majdanek, befreit wurde. Jetzt, im Juli vor 80 Jahren wurde das Lager befreit. Und bereits drei Monate später, im Oktober 1944, wurde auf dessen ehemaligem Gelände ein Museum eingerichtet. Es war die weltweit erste Gedenkstätte für die Opfer des Zweiten Weltkriegs.

Darüber, über die Beteiligung Majdaneks auch bei der „Aktion Reinhard“ und die Rolle der Stadt Lublin für die Juden in Mittel-Osteuropa wollen wir beim Jour-Fixe informieren.

Antifa Jour fixe der Berliner VVN-BdA
Immer am 3. Montag des Monat
Immer im Café Sibylle
Immer um 18.30 Uhr

NS Zwangsarbeit und Fußball in Berlin

12. Juni 2024

Am 16. Juni 2024 startet die Fußball-Europameisterschaft…

Montag, 17.Juni 2024, 18.30, Cafe Sibylle, Karl-Marx-Allee 72, 10243 Berlin

Für viele Zwangsarbeiter im NS war das Fußballspielen eine willkommene Ablenkung, aber nicht allen erlaubt. Osteuropäern war es streng verboten.
Dennoch konnten einige ihre Lebensumstände durch das Fußball-
spielen verbessern. Viele Profivereine hatten Probleme, ihre Mannschaften voll zu besetzen, da im weiteren Verlauf des Krieges immer mehr deutsche Spieler an die Front eingezogen wurden.

Auch Berliner Fußballvereine setzten Zwangsarbeiter ein, darunter den Niederländer Abraham Leonardus Appel.

Mit Trille Schünke-Bettinger, Bildungsreferentin am Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit

Antifa Jour fixe der Berliner VVN-BdA
Immer am 3. Montag des Monat
Immer im Café Sibylle
Immer um 18.30 Uhr

30. Mai 2024: Veranstaltung „Die Arbeit der extrem rechten AfD auf kommunaler Ebene“ in Lichtenberg

24. Mai 2024

Im Juni 2024 finden auch in Deutschland die Wahlen zum Europäischen Parlament statt. Im gleichen Jahr wird in mehreren Bundesländern kommunal oder der Landtag gewählt. Nicht nur in ihren Hochburgen müssen wir mit deutlichen Zugewinnen der Alternative für Deutschland (AfD) rechnen.

Bereits seit mehreren Jahren ist die AfD flächendeckend in den kommunalen Parlamenten bzw. Vertretungen. Sie hat dem Grundsatz der Gleichwertigkeit und der gleichen Würde aller Menschen, der Demokratie und der Rechtsstaatlichkeit den Kampf angesagt.

Gemeinsam mit verschiedenen Expert*innen möchten wir einen Blick auf die Arbeit in den Kommunen werfen und über folgende Fragen diskutieren: Wie agiert die AfD auf kommunaler Ebene? Wie verhält sie sich in Stadträten, Kreistagen und Bezirksvertretungen? Steht die vielbeschworene Brandmauer noch? Wie kann die demokratische Zivilgesellschaft mit einer erstarkten AfD auf kommunaler Ebene umgehen?

Mit:

Jana Adam (Lichtenberger Register)

Simon Brost (Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin)

Anika Taschke (Rosa-Luxemburg-Stiftung)

Flyer:

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Eine Veranstaltung der VVN-BdA Lichtenberg

Ausschlussklausel: Die Veranstaltenden behalten sich vor, von ihrem Hausrecht Gebrauch zu machen und Personen, die extrem rechten Parteien und/oder Organisationen angehören, der extrem rechten Szene zuzuordnen sind oder bereits in der Vergangenheit durch rassistische, nationalistische, antisemitische, verschwörungsideologische oder sonstige menschenverachtende Äußerungen in Erscheinung getreten sind, den Zutritt zur Veranstaltung zu verwehren oder von dieser auszuschließen.

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